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Das fliegende Klassenzimmer.

Das fliegende Klassenzimmer.

Titel: Das fliegende Klassenzimmer.
Autoren: Erich Kästner
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Schneebällen oder rüttelten, wenn jemand gedankenvoll des Wegs kam, mit aller Kraft an den Bäumen, dass der Schnee schwer aus den Zweigen prasselte. Hundertfältiges Gelächter erfüllte den Garten. Einige Oberklassianer schritten würdig, Zigaretten rauchend und mit hochgeklapptem Mantelkragen, zum Olymp hinauf. (Olymp, so hieß seit Jahrzehnten ein entlegener geheimnisreicher Hügel, den nur die Primaner betreten durften und der, einem Gerücht nach, mit alten germanischen Opfersteinen ausgestattet war, an denen, alljährlich vor Ostern, gespenstische Aufhahmefeierlichkeiten vorgenommen wurden. Brrr!) Andere Schüler blieben im Schulgebäude, stiegen zu den Wohnzimmern hinauf, um zu lesen, Briefe zu schreiben, ein Mittagsschläfchen zu halten oder zu arbeiten. Aus den Klavierzimmern erscholl laute Musik.
    Auf dem Turnplatz, der vor einer Woche vom Hausmeister in eine Eisbahn verwandelt worden war, lief man Schlittschuh.
    Dann gab es plötzlich eine haarige Prügelei. Die Eishockeymannschaft wollte trainieren. Aber die Schlittschuhläufer wollten nicht von der Bahn herunter. Ein paar Sextaner und Quintaner mussten, mit Schneeschippen und Besen bewaffnet, das Eis säubern, froren an den Fingern und schnitten wütende Gesichter.
    Vor dem Schulhaus staute sich eine aufgeregte Kindermenge und blickte nach oben. Denn im dritten Stockwerk balancierte der Sekundaner Gabler auf den schmalen Fenstersimsen die Hauswand entlang aus einem Zimmer ins andere. Wie eine Fliege klebte er an der Mauer und schob sich langsam, Schritt für Schritt, seitwärts.
    Die Jungen, die ihm zuschauten, hielten den Atem an.
    Endlich war Gabler am Ziel und sprang, mit einem Satz, durchs weit geöffnete Fenster!
    »Bravo!«, riefen die Zuschauer und klatschten begeistert in die Hände.
    »Was war denn eben los?«, fragte ein Primaner, der etwas später vorüberkam.
    »Och, nichts Besonderes«, antwortete Sebastian Frank. »Wir haben bloß den Schreivogel gebeten, mal aus dem Fenster zu gucken. Weil der Harry nicht glauben wollte, dass der Schreivogel schielt.« Die anderen lachten.
    »Du willst mich wohl auf den Arm nehmen?«, fragte der Primaner.
    »Nicht doch, nicht doch«, erwiderte Sebastian bescheiden.
    »Bei Ihrer Größe? Ich würde mir ja glatt den Arm verstauchen.«
    Der Primaner zog es vor, beflügelten Schritts weiterzugehen.
    Da kam Uli angerannt. »Sebastian, du sollst zur Probe kommen!«
    »Der König sprach’s, der Knabe lief«, deklamierte Sebastian spöttisch und setzte sich langsam in Trab.
    Vor der Turnhalle standen schon drei Jungen. Johnny Trotz, der Verfasser des Weihnachtsstücks mit dem spannenden Titel »Das fliegende Klassenzimmer«; Martin Thaler, Primus und Bühnenmaler in einer Person, und Matthias Selbmann, der immer Hunger hatte, besonders nach den Mahlzeiten, und der später Boxer werden wollte. Er kaute und hielt dem mit Sebastian daherkommenden kleinen Uli ein paar Kuchenränder entgegen. »Da!«, brummte er. »Iss auch was, damit du groß und stark wirst.«
    »Wenn du nicht so dumm wärst«, sagte Sebastian zu Matz, »so würde ich jetzt ausrufen: Wie kann ein gescheiter Mensch nur so viel fressen!«
    Matthias zuckte gutmütig mit den Achseln und kaute weiter.
    Sebastian stellte sich auf die Zehen, blickte durch das Fenster und schüttelte den Kopf. »Die Halbgötter hüpfen schon wieder Tango.«
    »Los!«, befahl Martin, und die fünf Jungen betraten die Turnhalle.
    Das Schauspiel, das sich ihnen bot, missfiel ihnen offensichtlich. Zehn Primaner tanzten paarweise übers Parkett.

    Man übte für die Tanzstunde. Der lange Thierbach hatte sich,von der Köchin wahrscheinlich, den Hut geborgt. Er hatte ihn schief auf den Kopf gesetzt und bewegte sich, vom Arm des Partners krampfhaft elegant umfangen, als sei er eine junge Dame.
    Zehn Primaner tanzten paarweise übers Parkett Martin ging zu dem Klavier hinüber, an dem der schöne Theodor saß und so falsch wie möglich in die Tasten hieb.
    »Diese Fatzken«, knurrte Matthias verächtlich. Uli versteckte sich hinter ihm.
    »Ich muss Sie bitten aufzuhören«, sagte Martin höflich. »Wir wollen das Stück von Johnny Trotz weiterprobieren.«
    Die Tänzer hielten inne. Der schöne Theodor unterbrach sein Klavierspiel und meinte hochnäsig: »Wartet gefälligst, bis wir die Turnhalle nicht mehr brauchen!« Dann spielte er weiter.
    Und die Primaner tanzten wieder.
    Martin Thaler, der Primus der Tertia, kriegte seinen weit und breit bekannten roten Kopf. »Hören Sie,
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