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Das fliegende Klassenzimmer.

Das fliegende Klassenzimmer.

Titel: Das fliegende Klassenzimmer.
Autoren: Erich Kästner
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von weitem, weil er eine Glocke umhängen hat. Erst läutet es ganz von ferne; denn das Kalb weidet oben auf einer Bergwiese. Dann dringt das Läuten immer näher und näher.
    Und schließlich ist Eduard zu sehen. Er tritt zwischen den hohen, dunkelgrünen Tannen hervor, hat ein paar gelbe Margueriten im Maul, als hätte er sie extra für mich gepflückt, und trottet über die Wiese, bis zu meiner Bank.
    »Nanu, Eduard, schon Feierabend?«, frag ich ihn. Er sieht mich groß an und nickt und seine Kuhglocke läutet. Aber er frisst noch ein Weilchen, weil es hier herrliche Butterblumen und Anemonen gibt. Und ich schreibe noch ein paar Zeilen.
    Und hoch oben in der Luft kreist ein Adler und schraubt sich in den Himmel hinauf.
    Schließlich steck ich meinen grünen Bleistift weg und klopfe Eduard das warme, glatte Kalbfell. Und er stupst mich mit den kleinen Hörnern, damit ich endlich aufstehe. Und dann bummeln wir gemeinsam über die schöne, bunte Wiese nach Hause.

    Vor dem Hotel verabschieden wir uns. Denn Eduard wohnt nicht im Hotel, sondern um die Ecke bei einem Bauern.
    Neulich hab ich den Bauer gefragt. Und er hat gesagt, Eduard würde später sicher einmal ein großer Ochse werden.
    Abends holt mich regelmäßig Eduard ab.

Die zweite Abteilung des Vorwärts 
...enthält den Verlust eines grünen Bleistifts; eine Bemerkung über die Größe von  Kindertränen; die Ozeanfahrt des kleinen Jonathan Trotz; den Grund, warum ihn seine Großeltern nicht abholten; ein Loblied auf die menschliche Hornhaut und die dringende Aufforderung, Mut und Klugheit unter einen Hut zu bringen.

    Eigentlich wollte ich gestern Abend, als ich gegessen hatte und faul in der Gaststube saß, gleich weiterschreiben. Das Alpenglühen war erloschen. Die Zugspitze und die Riffelwände versanken im Schatten der nahenden Nacht. Und am anderen Ufer des Sees guckte der Vollmond lächelnd über den schwarzen Wald.
    Da merkte ich, dass ich meinen grünen Bleistift verloren hatte.
    Sicher war er mir auf dem Nachhauseweg aus der Tasche gefallen. Vielleicht hatte ihn auch Eduard, das bildhübsche Kalb, für einen Grashahn gehalten und verschluckt. Jedenfalls saß ich nun in der Gaststube herum und konnte nicht schreiben. Denn es gab im ganzen Hotel, obwohl es ein piekfeines Hotel ist, weit und breit keinen grünen Bleistift, den ich mir hätte borgen können! Toll, was?
    Schließlich nahm ich ein Kinderbuch vor, das mir der Verfasser geschickt hatte, und las darin. Aber ich legte es bald wieder weg. So sehr ärgerte ich mich darüber! Ich will euch auch sagen, warum. Jener Herr will den Kindern, die sein Buch lesen, doch tatsächlich weismachen, dass sie ununterbrochen lustig sind und vor lauter Glück nicht wissen, was sie anfangen sollen! Der unaufrichtige Herr tut, als ob die Kindheit aus prima Kuchenteig gebacken sei.
    Wie kann ein erwachsener Mensch seine Jugend so vollkommen vergessen, dass er eines Tages überhaupt nicht mehr weiß, wie traurig und unglücklich Kinder zuweilen sein können? (Ich bitte euch bei dieser Gelegenheit von ganzem Herzen: Vergesst eure Kindheit nie! Versprecht ihr mir das? Ehrenwort?)
    Es ist nämlich gleichgültig, ob man wegen einer zerbrochenen Puppe weint, oder weil man, später einmal, einen Freund verliert. Es kommt im Leben nie darauf an, worüber man traurig ist, sondern nur darauf, wie sehr man trauert.
    Kindertränen sind, bei Gott, nicht kleiner und wiegen oft genug schwerer als die Tränen der Großen. Keine Missverständnisse, Herrschaften! Wir wollen uns nicht unnötig weich machen. Ich meine nur, dass man ehrlich sein soll, auch wenn’s wehtut.
    Ehrlich bis auf die Knochen.
    In der Weihnachtsgeschichte, die ich euch vom nächsten Kapitel ab erzählen werde, kommt ein Junge vor, der Jonathan Trotz heißt und den die anderen Johnny nennen. Dieser kleine Tertianer ist nicht die Hauptfigur des Buchs. Aber sein Lebenslauf passt hierher. Er wurde in New York geboren. Sein Vater war Deutscher. Die Mutter war Amerikanerin. Und die beiden lebten wie Hund und Katze miteinander. Schließlich lief die Mutter fort. Und als Johnny vier Jahre alt war, brachte ihn sein Vater in den Hafen von New York; zu einem Dampfer, der nach Deutschland fuhr. Er kaufte dem Jungen eine Schiffsfahrkarte, steckte ihm einen Zehndollarschein ins braune Kinderportemonnaie und hängte ihm eine Papptafel um den Hals, auf der Johnnys Name stand. Dann gingen sie zu dem Kapitän. Und der Vater sagte: »Nehmen Sie doch, bitteschön, mein
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