Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das fliegende Klassenzimmer.

Das fliegende Klassenzimmer.

Titel: Das fliegende Klassenzimmer.
Autoren: Erich Kästner
Vom Netzwerk:
sie denken: Donnerwetter, ist der Uli ein verfluchter Kerl. In dem haben wir uns aber gründlich getäuscht. Findest du nicht auch?«
    Uli nickte, senkte den Kopf und stieß mit den Stiefelspitzen an eine Zaunlatte. »Ich friere wie ein Schneider«, erklärte er schließlich.
    »Das ist ja auch kein Wunder«, meinte Matthias streng. »Du isst zu wenig! Es ist geradezu eine Schande. Man kann es kaum mit ansehen. Heimweh hast du wahrscheinlich außerdem, was?«
    »Danke, es geht«, sagte Uli leise. »Nur abends manchmal, oben im Schlafsaal, wenn sie drüben in der Infanteriekaserne den Zapfenstreich blasen.« Er schämte sich.
    »Und ich hab schon wieder einen Hunger!«, rief Matthias, über sich selber empört. »Heute früh beim Diktat auch. Am liebsten hätte ich den ollen Professor Kreuzkamm gefragt, ob er mir ‘ne Stulle borgen könnte. Stattdessen muss man überlegen, ob sich so blöde Wörter m it tz oder mit v schreiben!«
    Uli lachte und sagte: »Matz, nimm doch endlich deinen weißen Vollbart aus dem Gesicht.«
    »Herrje, hab ich die Matratze immer noch umhängen?«, fragte Matthias. »Das sieht mir ähnlich.« Er steckte den Bart in die Tasche, bückte sich, machte eine Kollektion Schneebälle und warf sie mit aller Kraft nach dem Schornstein des Nichtrauchers. Er traf zweimal.
    Im Innern des Eisenbahnwaggons saßen die vier anderen Jungen unruhig auf den abgewetzten Plüschpolstern. Ihr Freund, der Nichtraucher, war noch gar nicht alt.
    Fünfunddreißig Jahre vielleicht. Er trug einen verschossenen Trainingsanzug, lehnte an der Schiebetür, rauchte aus einer kleinen englischen Pfeife und lauschte lächelnd dem ausführlichen Bericht, den Fridolin von dem Überfall gab.
    Schließlich war der Junge fertig.
    Sebastian sagte: »Es wird das Gescheiteste sein, wenn Fridolin gleich abschwirrt und bei Kreuzkamms unauffällig feststellt, ob der Rudi inzwischen heimgekommen ist und ob er die Diktathefte mitgebracht hat.«
    Fridolin sprang auf und sah den Nichtraucher an. Der nickte.
    Und Martin rief: »Wenn der Rudi noch nicht da sein sollte, musst du das Dienstmädchen einweihen, damit der Professor nichts erfährt.«
    »Und dann«, meinte Sebastian, »kommst du vor das Haus vom Egerland. Dort warten wir auf dich. Und wenn die Bande den Rudi und die Hefte noch nicht herausgerückt hat, steigen wir dem Egerland aufs Dach. Er hat den Überfall geleitet. An ihn müssen wir uns halten. Vielleicht nehmen wir ihn als Geisel gefangen, verhandeln dann mit den anderen Realschülern und tauschen ihn gegen Rudi aus.«
    »Also gut«, sagte Fridolin. »Wo der Egerland wohnt, das wisst ihr. Ja? Förstereistraße 17. Bis nachher! Aber dass ihr auch dort seid!«
    »Eisern!«, riefen die anderen. Fridolin gab dem Nichtraucher die mit einem Taschentuch verbundene, von den Feinden zerkratzte Hand und stürmte hinaus. Die anderen Jungen standen auch auf.
    »Nun erklärt mir bloß«, sagte der Nichtraucher mit seiner klaren, beruhigenden Stimme, »wieso der Egerland und die übrigen Realschüler auf den Einfall gekommen sein mögen, euren Professorensohn gefangen zu nehmen und eure wissenschaftlichen Schriften zu beschlagnahmen!«
    Die Jungen schwiegen. Dann sagte Martin: »Das ist was für unseren Dichter. Johnny, erzähle!«
    Und Johnny ergriff das Wort. »Dieser Überfall hat eine lange Vorgeschichte«, berichtete er. »Dass die Realschüler mit uns verzankt sind, das ist gewissermaßen prähistorisch. Es soll vor zehn Jahren schon genauso gewesen sein. Es ist ein Streit zwischen den Schulen, nicht zwischen den Schülern. Die Schüler führen eigentlich nur aus, was ihnen die Chronik der Pennen vorschreibt. Wir haben ihnen im vorigen Monat, als wir Ausgang hatten, auf den Spielwiesen eine Fahne abgejagt.
    Eine Art Räuberflagge. Mit einem scheußlichen Totenschädel drauf. Wir verweigerten die Herausgabe der Beute. Und da beschwerten sie sich telefonisch beim Justus. Der machte uns einen haushohen Krach. Wir verrieten aber nichts. Da drohte er: Wenn die Fahne nicht binnen drei Tagen in den Händen der Realschüler sei, dürften wir ihn zwei Wochen lang nicht grüßen.«
    »Eine kuriose Drohung«, meinte der Nichtraucher und lächelte nachdenklich. »Wirkte sie denn?«
    »Wie Backpflaumen«, sagte Johnny. »Am nächsten Tage schon fanden die Realschüler ihre Fahne wieder. Sie lag, wie aus den Wolken gefallen, im Schulhof.«
    Sebastian fiel Johnny ins Wort. »Die Sache hatte nur einen Haken. Die Fahne war ein bisschen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher