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Das Fliederbett

Das Fliederbett

Titel: Das Fliederbett
Autoren: Unknown
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schreiben.«
    »Sicher.«
    »Deine kleinen Pamphlete zählen nicht.«
    »Friede allen Völkern der Welt«, antwortete Herman mit einem müden Glanz in den Augen.
    »Okay.«
    »Gebrauche dort keine kapitalistischen Ausdrücke.«
    »Natürlich nicht.«
    »Hej.«
    »Hej.«
    Dann flogen wir in achttausend Meter Höhe dahin, spachtelten eine Weile Piroggen und tranken Wodka. Vor den Fenstern lagen die weißen Wolken wie ein Schaumbad. Neben mir saß ein britischer Delegierter mit dem Daily-Worker im Blick und las Ian Fleming. Kurz bevor wir auf dem Flugplatz am Stadtrand Leningrads landeten, bestellte ich mir eine Tasse starken Kaffee.
    Ein Blasorchester stand am Ende der Landebahn. Es bestand aus Matrosen, die so bliesen, daß ihre Kragen flatterten. Die Flugzeuge landeten ununterbrochen, und das Orchester lief von Landebahn zu Landebahn, um die Delegierten willkommen zu heißen. Es war eine ganze Menge Delegierter aus den nordischen Ländern, die aus dem Flugzeug strömte. Breitschultrige Burschen eilten herbei, um unsere Hände zu drücken, und aus den Lautsprechern tönten wieder und wieder die Willkommensgrüße in den meisten westeuropäischen Sprachen. Die Fahnen flatterten im Sonnenschein, und Transparente mit munteren Texten, >Friede allen Völkern und Rassen<, zogen sich über die Flugplatzgebäude hin. Kleine, rote Gepäckkarren transportierten unsere Bagage von dem Flugzeug. Ich zeigte mein Delegiertenvisum, und ein Milizmann in blauer Uniform grüßte militärisch. Junge Pioniere in orangefarbenen Halstüchern überreichten mir einen Strauß gelber Narzissen und zeigten mir meinen Platz in einem blauen Bus. Das Ganze war wie immer ein wenig mechanisch freundlich, ein wenig prätentiös und eine Idee lächerlich, aber sicher sehr ehrlich gemeint.
    Ich setzte mich im Bus neben eine uniformierte Person, die zerstreut in der >Frau<, der neuen, exklusiven, sozialistischen Damenzeitschrift, blätterte. Die Zeitung war recht westlich aufgemacht mit ihrem wirkungsvollen Lay-out und den anregenden Modebildern einer Vorführung unter freiem Himmel nahe der Wassilij-Kathedrale auf dem Roten Platz, mit leckeren Puppen und annehmbarem Farbdruck. Man erwartete fast, daß ein herausklappbares Bild im besten Playboystil zum Vorschein kommen würde.
    Hier saß also ein Admiral der Baltischen Flotte und las eine Damenzeitschrift. Ja, ja, die Zeiten ändern sich.
    Als der Bus sich in eine Kurve legte, rammte mein Nachbar seinen Ellbogen in meine Seite, daß die Rippen krachten. Meine Narzissen fielen auf den Boden, und ich bückte mich, um sie aufzusammeln. Eifrig fegte ich die Blumen zusammen, die zwischen den schwarzen Stiefeln meines Nachbarn lagen. Die Stiefel waren mit Eisen der guten alten Sorte beschlagen. Recht erstaunt war ich, als ein Paar schmächtige und sehr schöne Hände mir plötzlich auf dem Boden Gesellschaft leisteten. Als ich alle Blumen aufgelesen hatte, betrachtete ich meinen Reisegefährten mit ganz neuem Interesse.
    Ja, wahrhaftig!
    Es war eine Frau. Eine — soweit ich das beurteilen konnte — sehr attraktive Frau, wenn auch die Uniform, die schwarzen Stiefel, die schweren Epauletten und die goldglitzernden Tressen auf der Jacke zunächst den Blick auf sich zogen.
    Sie lächelte und entschuldigte sich kurz und korrekt.
    Ich äußerte einige Ansichten zu der Art und Weise, wie der Chauffeur das Fahrzeug in den Kurven handhabte.
    Bald waren wir vor dem Hotel Rossija angelangt, wo ich von Sergej erwartet wurde.
    Sergej wäre allein ein Kapitel wert, aber es mag genügen, wenn ich berichte, daß er Künstler ist, Maler, ein vorsichtiger Revisionist, Lehrer an der Kunstakademie in Leningrad und eine ganze Menge mehr.
    Er war wie immer begeistert.
    »Es lebe der Frieden mit allem, was dazugehört!« schrie er und umarmte mich herzlich. »Laß uns einen Becher leeren zu Ehren deiner Ankunft in der Stadt Peter des Großen und Lenin des Roten. Um 16 Uhr beginnt der Kongreß im Puschkin-Theater, das wir zu diesem Zweck leihen durften, und wir müssen uns beeilen, dich im Hotel unterzubringen, damit wir noch ein anständiges Mittagsmahl zu uns nehmen können.«
    Ich schrieb mich für die Touristenabteilung des Hotels ein und bekam eine Mappe voller Papier über den Kongreß. Ich konnte wählen, welche von sechzehn verschiedenen Industrien im Gebiet von Leningrad ich besuchen wollte. Da ich aber die meisten schon früher gesehen hatte, beschloß ich, eine ruhige Kongreßwoche zu genießen. Ich würde die
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