Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Fliederbett

Das Fliederbett

Titel: Das Fliederbett
Autoren: Unknown
Vom Netzwerk:
lächelte die ganze Zeit säuerlich. Wenn man die Amerikaner besonders herzlos durchhechelte, schnaubte er verächtlich.
    »Bloß reden, reden, nichts tun!« sagte er in nicht ganz fehlerfreiem Russisch zu mir während einer Pause. Und da konnte ich ihm allerdings nur zustimmen.
    In einer Gruppe von Marineoffizieren erblickte ich den Admiral mit den schönen Händen. In ihren Augen blitzte es wie Stahl, in einer Art, die Erich von Stroheim in seinen besten Tagen zur Ehre gereicht hätte. Sie wurde von anderen Delegierten mit großer Hochachtung behandelt und erwiderte deren Grüße mit gemessener Höflichkeit.
    Nach den Übungen des zweiten Tages stellte Sergej mich einer jungen Studentin der Kunstakademie — sie war aus Thailand — vor. Sie rauchte eine Papiros in einer langen Spitze und sah mich mit großen, ernsten Augen an. Wir unterhielten uns eine Weile über verschiedene künstlerischpolitische Probleme. Sie war schön wie eine Puppe aus dem ostasiatischen Museum, hatte eine Haut wie Porzellan, in matter Cremefarbe, und eine schwarze Haarmähne, die vor statischer Elektrizität sprühte, wenn sie mit einem Elfenbeinkamm hindurchfuhr.
    Ich hatte plötzlich jenes wohlbekannte, saugende Gefühl im Magen, und mein Gaumen wurde völlig trocken, als ich hinter ihr am Theaterplatz die Treppe der U-Bahn hochging. Sie trug eine Wildlederjacke und einen engen Manchesterrock. Herrgott, jetzt war ich also wieder soweit!
    Zur Hölle mit dem ganzen Kongreßspektakel. Hier gab es eine Puppe, die einem Lust machte, sie an den ersten besten Betonpfeiler zu drängen, in den Nacken zu beißen oder auf einer Rasenfläche umzulegen, auf der keusche Komsomolmädchen eben erst eine Polka für den Frieden getanzt hatten.
    »Ich heiße Tanja«, sagte sie, als wir im mongolischen Restaurant auf dem Newskij Prospekt saßen.
    Ich hatte mich vorgestellt und eine halbe Stunde lang über Leben und Tod geredet, über Sozialismus und Imperialismus, alles in einem hoffnungslosen Durcheinander, und beinah jedesmal den Schluckauf bekommen, wenn ich in ihre Mandelaugen sah, die mich belustigt beobachteten.
    »Das ist ja ein russischer Name«, bemerkte ich.
    »Papa war vor dem Kriege in der Linksunion Thailands Sekretär und bewunderte ausnahmslos alles Sowjetische.«
    »Prost«, sagte ich, und sie nippte an einem Glas Kognak der Marke >Vorwärts<, die sechs Sterne auf dem Flaschenhals hatte und schon von weitem nach Fusel roch.
    Seit meinem letzten Hiersein war das Balalaikaorchester durch zwei elektrische Gitarren verstärkt worden, aber der Verstärker litt unter Stromknappheit, und ab und zu gab es auf dem Orchesterpodium Kurzschluß.
    Schließlich, als der Kapellmeister sich in einem Solo produzierte, knallte eine Hauptsicherung durch, und das ganze Lokal hüllte sich in Dunkelheit.
    Dieses Mißgeschick erfreute das Publikum hörbar. Erregtes Frauenlachen mischte sich mit dem Klirren von Glas und Porzellan, mit dem sich die Kellner zwischen den Tischen zurechtzufinden suchten. Ich spürte Tanjas Knie an meinem und suchte auf der Tischdecke nach ihrer Hand. Dabei stieß ich einen Salznapf um.
    »Es ist dunkel geworden«, sagte ich und hörte als Antwort ihr glucksendes Lachen.
    »Man wird wohl Kerzen hervorsuchen müssen«, meinte sie leise.
    Ich fand ihre Hand und führte sie vorsichtig an meine Lippen. Sie war kühl und hatte lange, dünne Nägel, und ich fragte mich, wie sie mit diesen zerbrechlichen Händen in der Akademie arbeiten konnte.
    Ich leckte an ihren Knöcheln. Sie schmeckten nach Salz, und sie lachte auf, als würde sie gekitzelt. Ich rückte näher und merkte, wie ihr Rock ein Stück über die Knie hinaufrutschte, als ich mein Bein dazwischenpreßte. Jetzt war nur der schwere Teaktisch zwischen uns. Die Tischfläche wirkte im Dunkeln groß wie ein Fußballfeld.
    Jemand unter den Gästen stimmte das wehmütige Lied >Es wird besser mit jedem fünften Jahr, das vergeht< an; ein satirisches Kabarettcouplet, das in jenem Jahr ungeheuer populär war. Alle lachten, und dem Genossen Oberkellner fiel es schwer, sich Gehör zu verschaffen, als er mitteilte, daß es leider an Kerzen mangle. Er bat alle, an den Tischen zu bleiben, bis man einen Elektriker besorgt hätte.
    Einige zündeten Streichhölzer an, um die Getränke auf den Tischen zu finden. Kleine Flammen flackerten hastig auf und erstarben ebenso schnell. Es waren nicht viele Ansässige im Lokal, aber ziemlich viel Kongreßteilnehmer und auch gewöhnliche Touristen.
    Die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher