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Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Titel: Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal
Autoren: Thomas Willmann
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nun, so ausgesprochen, selber eine kleine, eine schäbige Erklärung.
    Er ließ sich zurück ins Kissen fallen und lachte einmal scharf auf. »Und?« sagte er und bedeutete mit seinen Armen in einer weiten Geste die kahle Kammer und seinen Körper, bedeutete das, was ihm wirklich geblieben war und auch nicht mehr lange bleiben würde.
    Greider erhob sich von dem Bett.
    Er hätte jetzt gehen können, und es hätte nicht das Geringste mehr geändert.
    Stattdessen sagte er: »Der Hof brennt.« Brenner schaute ihn mitleidig an und zuckte mit den Schultern. Was wollte ihm diese Nachricht noch?
    Greider stand da, links von ihm die Tür, vor ihm das Bett. Und in seiner Hand das Gewehr. Er hob die Waffe.
    Brenner gebot ihm mit der Handfläche Einhalt. Noch einmal winkte er ihn zu sich ans Bett.
    Greider verharrte einen Moment, doch dann tat er die zwei Schritte vor.
    Der Brenner schaute ihn an, ein klein gewordener, machtloser alter Mann, aus dem unaufhaltsam das Leben entrann. »Ich bitt’ dich, mach’s schnell«, sagte er und griff nach dem Lauf des Gewehrs. Er setzte sich die Mündung auf die Brust, direkt über das Herz.
    Und Greider, der Stunde um Stunde damit zugebracht hatte sich auszumalen, wie er diesen Mann demütigen und quälen würde, wie er ihm alles heimzahlen und zehnfach heimzahlen würde, was er anderen, was er Greiders Mutter angetan hatte, Greider, der blutgierige Rache geatmet und gespeist und genährt hatte über Tag und Monat und Jahr, Greider konnte nichts anderes, als einfach nur abzudrücken.
    Die Schmiede war schon ganz in haushohe, brausende Flammen gehüllt, als Greider aus der Tür des Hofs kam, und mit gierigen Zungen leckten sie schon an der Wand des Stalls. Aufseinen Schultern trug er einen reglosen Körper, in nichts als ein Nachthemd gehüllt. Der Körper schien leicht zu sein und Greider weniger zu belasten als die Schmerzen, die ihn humpeln ließen.
    Vor dem Hof stand verwirrtes Vieh und blökte, grunzte, brüllte. Es war vor dem Feuer aus dem Stall geflohen, aber jetzt fand es sich in der fremden, weißen Kälte und wusste nicht, wohin. Greider scheuchte weg, was ihm davon direkt im Weg war. Den Rest überließ er ungerührt seinem Schicksal.
    Er bahnte sich so einen Pfad zum Hofgatter, wo sein Maultier noch immer angebunden stand. Es war nervös geworden von den aufgeschreckten Kreaturen um sich und dem Flackern, dem beißenden Qualm des Brandes. Als es Greider nahen sah, zerrte es mit doppelter Kraft an seinem Halfter.
    Greider beruhigte das Tier, indem er kräftig seine Flanke streichelte und ihm sanfteintönige Worte zusprach. Dann lud er ihm den Körper des Brenner auf und vertäute ihn.
    Schließlich machte Greider das Maultier los, stieg in den Sattel und ritt fort aus der Senke, ohne sich ein einziges Mal umzuschauen.
    Es war fast Abend, als Greider ins Dorf einritt. In seinem Rücken stand im langsam das Licht verlierenden Himmel eine große, schwarze Rauchsäule.
    Greider war auf seinem ganzen Weg keinem Menschen begegnet, und auch hier schien alles wie ausgestorben. Nur hinter den Fenstern und Türen bemerkte er – wie einst bei seinem Einzug, eine Handvoll Monate und eine ganze Ewigkeit zuvor – aus dem Augenwinkel immer wieder ein heimliches Huschen.
    Er lenkte sein Tier durch die Gassen, bis er den Dorfplatz erreichte. Dort stieg er ab und sah sich um. Die Häuser lagenim Dunkel der länger werdenden Schatten, und noch immer war keiner ihrer Bewohner zu sehen.
    Greider löste die Vertäuung und hob den toten Körper von dem Tier. Er legte ihn über die Schulter und trug ihn ein paar Schritte weit, bis in die Mitte des Platzes.
    Dort ließ er ihn herab, ehrfurchtslos, aber nicht ohne Vorsicht. Er legte die Leiche, die kalt, weiß und starr geworden war, vor dem Brunnen auf die Erde.
    Einen letzten Blick warf er noch auf diesen armseligen Überrest von Macht und finsterer Herrlichkeit. Dann drehte er sich mit halb ausgebreiteten Armen einmal langsam um die eigene Achse, wie ein Zirkuskünstler, der dem versammelten Publikum das Ergebnis eines Kunststücks präsentiert. Danach ging er zurück zu seinem Maultier und saß auf.
    Er hatte noch nicht ganz den Platz verlassen, da sah er die ersten Menschen zwischen den Häusern und aus deren Türen hervorkommen. Sie mussten gewartet haben, gewarnt vielleicht von dem Krämer, vielleicht von dem Rauch am Ende des Tals, vielleicht von etwas anderem, Unbestimmbaren.
    Es waren die Väter, Mütter, waren Töchter und Söhne dieses
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