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Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Titel: Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal
Autoren: Thomas Willmann
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in seine Schreie schnell ein beunruhigendes Gurgeln mischte. Bei seinen Versuchen, im Liegen die Zinken aus seinem Körper zu reißen, sich loszuspießen, klapperte und krachte das Lattengerüst auf dem Boden wie ein loser Fensterladen in einem Orkan. Auf die Erde der Schmiede sickerte dickes tiefes Rot.
    Eine Sekunde lang war Greider von diesem zum Greifen nahen Schauspiel wie gelähmt. Dann wickelte er sich endlich die letzten Windungen der Kette von den Füßen, erhob sich und drückte sich an der Wand entlang, außer Reichweite des Riesen vor bis zur Esse.
    Greider hätte wohl selbst nicht sagen können, ob es Mitleid war oder die Angst, dass er seinen Gegner selbst jetzt nicht ausgeschaltet, sondern nur noch gefährlicher gemacht hatte. Jedenfalls rannte er nicht zur Tür, sondern griff sich zwei Gegenstände, die neben der Esse lagen, und kehrte zurück zu dem aufgespießten Riesen. Einen Moment überlegte er, und es kostete ihn sichtlich Überwindung, das Nächste zu tun. Vorsichtig machte er ein, zwei Schritte entlang des hilflos zuckenden Körpers, zwischen den knarzenden Latten um die noch frei aufragenden Zinken herum. Dann kniete er sich dem Riesen aufs Kreuz. Der ließ seine unablässigen Schreie auflodern, ob aus neuem Schmerz oder aus schierer Wut, war nicht zu sagen. Noch einmal beschleunigte, verstärkte sich auch das Beben seines Leibes, doch es war nur noch wenig wahre Kraft dahinter.
    Greider setzte den Hufnagel, den er in seiner Linken hielt, in die Kuhle, wo das Rückgrat in den Schädel mündete. Dann holte er mit dem Fausthammer, den seine Rechte umklammerte, aus und schlug zu.
    Die Schreie rissen ab wie ausgepustet. Die Beine des Schmieds führten auf dem staubigen Boden einen irren Tanz auf, seine Füße trommelten einen unzusammenhängenden Rhythmus in den Staub, und die Eggenraute spendete dazu ihren klappernden, hölzernen Applaus.
    Greider wurde auf dem Rücken des Riesen geschüttelt wie auf einem nicht zugerittenen Pferd. Doch dann ging ein letztes, großes Zittern durch den Körper, er streckte sich, so gut ihm die Zinken das erlaubten, und wurde starr.
    In der Werkstatt kehrte eine Stille ein, dass man meinte, man könne draußen den Schnee fallen hören.

XVIII
    Greider humpelte aus der Schmiede. Blut klebte an seiner Kleidung, die Schmerzen der Schürfungen und Schläge, verdrängt von der Todesgefahr, verlangten jetzt ihr Recht und standen ihm ins Gesicht geschrieben.
    Hinter ihm quoll schwarzer Rauch aus dem grob gezimmerten Tor. Beim Griff nach dem Schürhaken hatte Greider ein Kohlestück aus der Esse geschleudert, das in einem Bretterstapel gelandet war und diesen erst glimmend, dann schwelend, dann züngelnd in Brand gesetzt hatte. Greider hatte eine Weile überlegt, das Feuer zu löschen. Dann ließ er ihm seinen Lauf.
    Er schleppte sich zu den Ställen. Das Auftreten mit dem rechten Fuß tat ihm weh, sein Rücken brannte vor Schmerz wie nach einem Spießrutenlauf. Greider machte die Stalltoreweit, ging hinein und öffnete auch die Gatter, damit das Vieh den Flammen entkommen konnte. Im Pferdestall entdeckte er die drei Pferde der Brenner-Söhne, die nach Hause geflohen waren und damit den Schmied gewarnt hatten, dass ihre Reiter ein anderes Schicksal ereilt hatte als erwartet.
    Dann schritt Greider wieder hinüber zum Eingang des Hofs. Auf dem Weg klaubte er, beim Bücken scharf Luft durch die Zähne ziehend, sein Gewehr aus dem Schnee, säuberte es und begutachtete den Lauf. Die Waffe schien den Hammerhieb unbeschadet überstanden zu haben.
    Greider trat zum zweiten Mal vor die schwarze Tür. Kurz schloss er die Augen, um sich zu sammeln, kurz schien er noch zu zögern, als wartete er auf einen zweiten Schlag aus dem Nichts.
    Dann fasste er den Türgriff.
    Die Tür ging auf.
    Es war dunkel und still im Hof des Brenner. Die Luft hatte einen staubigen, fauligen Geruch, als stünde sie seit Langem in den Räumen, als dünstete Zersetzung aus dem Gebälk.
    Hier drinnen herrschte ein noch tieferes Schweigen als im winterstarren Tal. Auch die letzten Geräusche der Natur waren hier ausgesperrt, es lastete über allem eine graue, klamme, unheilige Andacht. Nur das hölzerne, unerbittlich gemächliche Tocken einer Standuhr tönte aus einem der Zimmer und füllte das Haus.
    Vor Greider zog sich ein langer, schmaler Gang in das Innere des Gebäudes hinein. Die Wände waren kahl, unverziert, von schmutzigem Kalkweiß. Die Decke lauerte tief, wie eingesunken vom Gewicht der
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