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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Tiraden des Theaterstückchens Falsche Freundschaft auswendig gelernt, rezitierten sie und ließen sich von den Schnattermäulern beklatschen. Und seine Frau – denn diese dicke, dämliche Alte, die Vortreffliche Dame, war schließlich und endlich seine Frau – hatte das mit der Schriftstellerei und dem Moralisieren ernst genommen. Warum nicht. Sagten es nicht die Zeitungen, die Rundfunksender, das Fernsehen? Waren sie nicht Pflichtlektüre in den Schulen, diese Moralischen Meditationen mit einem Vorwort des Mexikaners Jose Vasconcelos, die alle zwei Monate neu gedruckt wurden? War Falsche Freundschaft nicht der größte Theatererfolg der nun schon einunddreißig Jahre währenden Ära Trujillo gewesen? Hatten die Kritiker, die Journalisten, die Universitätsprofessoren, die Geistlichen, die Intellektuellen seine Frau nicht in den Himmel gehoben? Hatte man ihr im Instituto Trujilloniano nicht ein Seminar gewidmet? Hatten die Soutaneträger, die Bischöfe, diese verräterischen Pfaffen, diese Judasse, die erst aus seiner Tasche gelebt hatten und jetzt genau wie die Yankees von Menschenrechten zu faseln begannen, nicht ihre Gedanken gelobt? Die Vortreffliche Dame war Schriftstellerin und Moralistin. Das war nicht ihr Verdienst, sondern seines, wie alles, was in diesem Land seit drei Jahrzehnten geschah. Trujillo konnte bewirken, daß Wasser sich in Wein verwandelte und das Brot sich vermehrte, wenn es ihn in den Eiern juckte. Er hatte Maria beim letzten Streit daran erinnert: »Du vergißt, daß nicht du diesen Blödsinn verzapft hast, du kannst ja nicht mal deinen Namen fehlerfrei schreiben, sondern dieser Verräter, der Galicier Jose Almoina, den ich bezahlt habe. Weißt du nicht, was die Leute sagen? Daß das Stück eigentlich Falscher Fuffziger heißen müßte.« Wieder schüttelte ihn ein offenes, fröhliches Lachen. Seine Bitterkeit war verflogen. Maria brach in Tränen aus: »Wie du mich demütigst!« und drohte ihm damit, sich bei Mama Julia zu beschweren. Als hätte seine arme Mutter mit ihren sechsundneunzig Jahren Sinn für Familienzwiste. Genau wie seine Brüder benutzte seine Frau die Erhabene Matrone ständig als Tränentuch. Um Frieden zu schließen, mußte er die Dame wieder einmal schmieren. Denn es stimmte, was die Dominikaner hinter vorgehaltener Hand erzählten: Die Schriftstellerin und Moralistin war ein Raffzahn, eine Seele voller Schäbigkeit. Schon in ihrer ersten Zeit als Liebespaar. Noch als junges Mädchen kam sie auf die Idee mit der Wäscherei für die Uniformen der Dominikanischen Polizei, mit der sie ihre ersten Pesos verdiente. Das Radfahren hatte ihn erwärmt. Er fühlte sich in Form. Fünfzehn Minuten: genug. Weitere fünfzehn Rudern, bevor die Schlacht des Tages begann. Das Rudergestell befand sich in einem angrenzenden kleinen Raum, der vollgestopft war mit Sportgeräten. Er begann zu rudern, als ein Wiehern in der Stille des Morgengrauens vibrierte, anhaltend, musikalisch, wie ein fröhliches Lob des Lebens. Wie lange war er nicht mehr geritten? Monate. Er hatte nie genug davon bekommen, nach fünfzig Jahren machte es ihm noch immer Freude, wie der erste Schluck aus einem Glas mit spanischem Brandy Carlos I. oder der erste Blick auf den nackten, weißen, üppigen Körper eines begehrten weiblichen Wesens. Aber dieser Gedanke wurde von der Erinnerung an das dürre Mädchen vergiftet, das dieser Scheißkerl ihm ins Bett gelegt hatte. Hatte er es im Wissen um die Demütigung getan, die er erleben würde? Dazu fehlte ihm der Schneid. Sie hatte es ihm bestimmt erzählt, und er hatte schallend gelacht. Sicher lief es schon von Klatschmaul zu Klatschmaul in den kleinen Cafés von El Conde. Er zitterte vor Scham und Wut, während er noch immer gleichmäßig ruderte. Er schwitzte schon. Wenn man ihn sehen würde! Ein weiterer Mythos, der kolportiert wurde: »Trujillo schwitzt nie. Er trägt im glühendsten Sommer diese Uniformen aus schwerem Tuch, dazu Dreispitz aus Samt und Handschuhe, und kein Schweiß glänzt auf seiner Stirn.« Er schwitzte nicht, wenn er nicht wollte. Aber in der Intimität, wenn er seine Übungen machte, gab er seinem Körper die Erlaubnis. In der letzten schwierigen, problemreichen Zeit hatte er auf die Pferde verzichtet. Vielleicht würde er diese Woche nach San Cristóbal fahren. Er würde allein unter den Bäumen, am Fluß entlang reiten, wie früher, und er würde sich verjüngt fühlen. ›Nicht einmal die Arme einer Frau sind so zärtlich wie der Rücken eines
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