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Das falsche Urteil - Roman

Das falsche Urteil - Roman

Titel: Das falsche Urteil - Roman
Autoren: H kan Nesser
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Nachmittag im Stich gelassen hat, hmm.«

    »Wie alt war er denn eigentlich?«, warf Rooth dazwischen, während Meusse sich in sein Bierglas vertiefte.
    »Wie gesagt«, wiederholte Meusse dann. »Es war eine ungewöhnlich geschmacklose Leiche.«
    Geschmacklos, dachte Münster, und dann fiel ihm ein, dass Meusse ihm einmal erzählt hatte, wie sein Leben sich durch seinen undankbaren Beruf verdüstert und verändert hatte. Mit dreißig war er impotent geworden, mit fünfunddreißig von seiner Frau verlassen, mit vierzig zum Vegetarier konvertiert, mit fünfzig hatte er fast damit aufgehört, feste Nahrung zu sich zu nehmen ... sein eigener Körper und dessen Funktionen waren für ihn mit den Jahren immer widerlicher geworden. Etwas, für das er nur Ekel und Abneigung empfinden konnte, hatte er Münster und Van Veeteren eines Nachmittags anvertraut, als sie um einiges mehr getrunken hatten als sonst.
    Vielleicht ist das ja alles kein Wunder, dachte Münster. Sondern einfach eine natürliche Entwicklung.
    »Es ist schwer, den ungefähren Todeszeitpunkt festzulegen«, erzählte Meusse und steckte sich eine dünne Zigarre an. »Ich tippe auf acht Monate, aber ich kann mich in beiden Richtungen um zwei Monate irren. Mit dem Ergebnis des Labors können wir in einigen Wochen rechnen. Und was die Todesursache angeht, sieht es genauso übel aus, fürchte ich. Fest steht nur, dass er viel früher gestorben ist ... ehe er in den Graben gelegt wurde, meine ich. Mindestens zwölf Stunden. Vielleicht einen ganzen Tag. Es gibt fast kein Blut auf dem Teppich und im Körper war auch nicht mehr viel. Enthauptung und Verstümmelung sind früher passiert. Das Blut ist ausgelaufen, um es ganz einfach zu sagen.«
    »Wie ist die Verstümmelung vor sich gegangen?«, fragte Münster.
    »Unprofessionell«, sagte Meusse. »Vermutlich mit einer Axt. Die wohl nicht besonders scharf geschliffen war, also hat es sicher seine Zeit gedauert.«

    Er leerte den letzten Rest Bier. Rooth erhob sich, um ein neues zu holen.
     
    »Was sich über die Todesursache sagen lässt, ist, dass sie im Kopf steckt.«
    »Im Kopf?«, fragte Rooth.
    »Im Kopf, ja«, erwiderte Meusse und zeigte dabei auf seinen eigenen kahlen Schädel. »Ihm wurde vielleicht in den Kopf geschossen oder er wurde mit einer Axt erschlagen, oder was auch immer ... Todesursache: Gewalteinwirkung am Kopf. Abgesehen von Verstümmelung und Verwesung ist der Rumpf unversehrt ... ja, wenn ich von gewissen sekundären Deformierungen absehe, die hungrige Füchse und Krähen verursacht haben, die an zwei Stellen zulangen konnten. Aber viel haben sie nicht angerichtet. Der Teppich und das Wasser im Graben waren von einer gewissen konservierenden Wirkung ... oder haben den Verwesungsprozess zumindest verlangsamt.«
    Münster hatte sein Bierglas erhoben, stellte es aber auf den verschmutzten Tisch zurück.
    »Was Alter und besondere Kennzeichen angeht«, fuhr Meusse unangefochten fort, »so können wir wohl davon ausgehen, dass er zwischen fünfundfünfzig und sechzig war. Und er war wohl zwischen einsdreiundsiebzig und einssechsundsiebzig groß und eher von schmächtigem Körperbau, mit leichtem Skelett. Gut proportioniert, würde ich behaupten. Keine Arm- oder Beinbrüche, keine Operationsnarben. Es kann natürlich andere äußerliche Narben gegeben haben, aber die sind entweder verwest oder kleben im Teppich. Eine Art Todessymbiose zwischen Leichnam und Teppich hat die Sache nämlich noch erschwert. Sie sind gewissermaßen miteinander verschmolzen oder sollte man sagen zerschmolzen?«
    »O Scheiße«, sagte Rooth.
    »Ganz recht«, erwiderte Meusse. »Habt ihr Fragen?«

    »Gibt es denn keine besonderen Kennzeichen?«, fragte Münster.
    Plötzlich lachte Meusse. Seine dünnen Lippen zogen sich nach oben und entblößten zwei Reihen von überraschend weißen und gesunden Zähnen.
    »Eins«, sagte er und ihm war anzusehen, dass er diese Situation genoss. Weil er sich immerhin die düstere Befriedigung gönnen konnte, seine Gesprächspartner für einige armselige Sekunden auf die Folter zu spannen. Der Triumph der Berufsehre, dachte Münster.
    »Wenn der Mörder alle Identifikationsmöglichkeiten vernichten wollte«, erklärte Meusse. »Dann hat er etwas übersehen.«
    »Was denn?«, fragte Rooth.
    »Einen Hoden«, sagte Meusse.
    »Was?«, rief Münster.
    »Er hatte nur einen Hoden«, erklärte Meusse.
    »Ein eineiiger Toter?«, fragte Rooth und machte ein dummes Gesicht.
    »Ach was«, sagte
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