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Das Falsche in mir

Das Falsche in mir

Titel: Das Falsche in mir
Autoren: Christa Bernuth
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Teresa kennt sie?«
    »Ich weiß nicht. Sie haben nicht gesagt, auf welche Schule sie geht. Soviel ich weiß, hat man sie noch nicht gefunden.«
    Birgit sieht mich von der Seite an, sehr direkt und mit einem ironischen Zug um den Mund, als wüsste oder ahnte sie etwas. Birgit wirkt so kompetent und sicher und dabei so abgeklärt, als könnte man ihr nichts vormachen. In ihrem Beruf gilt sie als engagierte Journalistin, die dafür bekannt ist, Missstände aufzudecken und stets den Finger auf die Wunde zu legen. Man traut sich einfach nicht, sie anzulügen. Und genau diese Ausstrahlung hat mich damals an ihr gereizt.
    Ich dachte, sie sei eine gute Aufpasserin, also genau das, was ich zu der Zeit dringend brauchte. Aber mittlerweile weiß ich, dass dieses süffisante Lächeln einfach nur eine physiognomische Besonderheit ist. Wenn man es geschickt anstellt, lässt sie sich genauso leicht täuschen wie alle anderen auch.
    Während Birgit die DVD ihrer Lieblingsserie sucht, leere ich mein Glas Rotwein.
    »Ich gehe ins Bett«, sage ich.
    »Ja klar.« Sie hat die DVD eingelegt und setzt sich wieder hin, ohne mich anzusehen, und nimmt die Fernbedienung. Ich bin mir nicht sicher, ob das Gleichgültigkeit oder Gekränktheit ist, und beuge mich zu ihr hinüber, um ihr einen Kuss zu geben.
    Ich habe den Eindruck, dass sie leicht zurückzuckt. Ihr Profil sieht beinahe griechisch aus. Sehr edel. Das fällt mir jetztzum ersten Mal auf. Ich habe Birgit nie geliebt – das, was ich Liebe nenne, verdient diesen Namen nicht –, aber ich habe sie zumindest eine Zeit lang körperlich anziehend gefunden.
    Dabei habe ich immer gewusst, dass ich einer Frau nie mehr geben kann als dieses eher laue Begehren gepaart mit einer relativen Beständigkeit und Zuverlässigkeit. Ich habe immer den Eindruck gehabt, dass Birgit damit gut leben kann.
    Ausgerechnet jetzt beginne ich daran zu zweifeln.
    »Alles in Ordnung?«, frage ich vorsichtig, schon im Stehen.
    »Wieso nicht?«, sagt sie, starrt auf den brabbelnden Fernseher, schaltet aber nicht auf den DVD -Player um.
    »Dann bis gleich.«
    »Ja.«
    Als ich an der Tür bin, sagt sie so leise, dass ich sie fast nicht gehört hätte: »Du warst erst um fünf Uhr wieder da.«
    »Ich bin abgestürzt gestern. Hast du dir Sorgen gemacht?«
    Sie antwortet nicht, dreht sich auch nicht um.
    »Tut mir leid«, sage ich.
    »Ja.«
    Ich warte noch einen Moment, aber sie drückt demonstrativ auf den Startknopf der Fernbedienung, und die Titelmelodie ihrer Serie ertönt wie ein Zeichen, dass ich entlassen bin.
    Die Nacht wird zum Inferno. Diesmal schlafe ich überhaupt nicht, und die Erinnerungen überfallen mich ungefiltert, unverschlüsselt, mit schamloser Direktheit.
    Marion lächelt mich an. Sie sitzt aufrecht vor mir, unsere Beine sind verschränkt, wir wissen nicht mehr, wo sie anfängt und ich aufhöre. Dann hebt sie das Messer, ein frisch geschärftes Tranchiermesser, mit einer langsamen, fließenden Bewegung an die Kehle.
    Ein paar Blutstropfen tauchen auf.
    Ich bin in ihr, fasziniert und so erregt wie noch nie. Ich tupfe einen der Blutstropfen von ihrem Hals und lecke daran.Ein gewaltiger Orgasmus schüttelt mich, ohne dass ich mich bewegen muss.
    Marion lächelt weiter, aber jetzt hat sie Tränen in den Augen. Sie legt das Messer neben sich, dessen Schneide von ihrem Blut befleckt ist. Mein Blick wandert von ihr weg zu dem Messer, und schon werde ich wieder steif.
    »Nein«, sagt sie.
    »Bitte«, sage ich, in dem Bewusstsein, dass wir eine Grenze überschritten haben, der sich andere Paare nicht einmal gedanklich nähern.
    Ich stoße sie sanft, aber sie fühlt sich plötzlich trocken und steif an. Die Tränen laufen immer weiter über ihr regungsloses Gesicht. Ich lasse sie widerwillig in Ruhe, ziehe mich aus ihr zurück, aber es fällt mir schwer.
    Am liebsten würde ich sie mit Gewalt nehmen, und dabei würde ich mir wünschen, dass sie noch einmal das Messer an ihre Kehle setzt und diesmal etwas fester zudrückt.
    Ich liege neben Birgit, die friedlich schläft oder zumindest so tut. Ich versuche ihren Atem zu hören, aber es gelingt mir nicht. Sie liegt wie immer auf der rechten Seite, wendet mir den Rücken zu. Ich beherrsche mich, fasse mich nicht an, stehe auch nicht auf. Ich habe das Gefühl, dass ich das jetzt durchstehen muss. Die Erinnerungen, die Schlaflosigkeit, die Erregung, ohne die Möglichkeit, mich zu erleichtern.
    Ich muss es aushalten.
    Mir bricht der Schweiß aus, obwohl es im
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