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Das Falsche in mir

Das Falsche in mir

Titel: Das Falsche in mir
Autoren: Christa Bernuth
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Illegales passiert. Die winzige Wunde am Hals würde sie möglicherweise nicht einmal bemerken.
    Dieser Ausweg, den er dann doch nicht einschlägt, gehört zu seiner Fantasie zwingend dazu: Es geht darum, jetzt den Maximalentschluss zu fassen und die Grenze zum echten Verbrechen zu überschreiten. Dann stellt er sich jedes Mal vor, wie es wäre, wenn er sich dazu entschließen würde, es wirklichzu tun. Und sich vollkommen darüber im Klaren zu sein, dass er es wirklich tut.
    Es gibt dann keine Ausreden mehr.
    Dafür müssten die Voraussetzungen allerdings doch noch anders sein. Prickelnder und aufregender. Dann wäre es nicht einfach eine jugendliche Ausreißerin, die sowieso niemand vermisst und die man anschließend einfach in einem abgelegenen Waldstück entsorgt, wo sie unentdeckt verwesen kann, bis keinerlei Spuren mehr bei ihr feststellbar sind. Es gibt ja solche perfekten Verstecke, Leander Kern hat sie selbst schon gefunden und für sich markiert. Man muss umsichtig handeln, darf nicht hektisch oder nervös sein. Man muss geduldig sein, den Trieb beherrschen, statt sich von ihm beherrschen zu lassen und zu schnell vorzugehen. Vorbereitung ist das A und O. Die richtige Kleidung mit festem Schuhwerk und dicken Handschuhen gegen verräterische Kratzer. Und man braucht einen sehr guten Ortssinn. Dann findet man die richtigen Plätze tief im Unterholz, weitab aller Spazierwege – dort, wo nur die Tiere hinkommen, vor allem die Aasfresser wie Fadenwürmer, Käsefliegen, Totengräber und Ratten. Gemeinsam lassen sie einen Kadaver mit schier unglaublicher Geschwindigkeit verschwinden, wenn man sie nicht dabei stört.
    Leichen kann man entsorgen, wenn man es geschickt macht und keine Mühen scheut. Darum geht es nicht, das ist nicht das Problem.
    Es geht um die ultimative Herausforderung. Das Wagnis aller Wagnisse. Ein Mädchen aus gutem Hause, das nicht zu den vergessenen Kindern gehört, das nicht einfach so aus dem Leben verschwinden kann, weil sofort eine Großfahndung eingeleitet werden würde.
    Leander Kern tastet sich langsam an diese Fantasie heran. Es dauert eine halbe Ewigkeit, bis er so weit ist: ein nettes, braves Mädchen, blonder Pagenkopf, ein hübsches, einnehmendes, etwas scheues Gesicht, beliebt, begehrt, viele Freunde – schwierigzu fassen, weil sie so selten allein ist. Leander verfolgt sie über Wochen, Monate. Er ist in dieser Zeit ein anderer oder fühlt sich zumindest so, als würde dieser andere seine Hand führen, seine Augen lenken, seine Gedanken auf Kurs bringen.
    Vielleicht gibt es Leander Kern nicht wirklich und er braucht diese Tat, um sichtbar zu werden, eine reale Existenz, ein Mensch mit einer Vergangenheit und einer Zukunft, der nicht länger in der totalen Adoleszenz gefangen ist – nicht nur ein rätselhafter Song von düsterer Poesie. Also erzählt er sich eines Nachts eine neue Geschichte, eine, die alles in den Schatten stellt: die Geschichte von ihm und Anne Martenstein. Er verfolgt sie, weil sie sich hat verlocken lassen, jemandem zu trauen, den sie fast nicht kennt, der aber ein Meister der Verstellung ist. Anne, die er nicht betäuben wird, weil das zu einfach wäre.
    Anne glaubte seinen Beschwörungen und Versprechungen, weil sie es wollte. Das macht sie zur Komplizin wider Willen seines raffinierten Spiels.
    »Ich möchte dich allein sehen. Traust du dich?«
    »Ich weiß nicht ;-)«
    »Du wirst es deiner besten Freundin erzählen, wetten? Um dich abzusichern :-/ «
    »Nein, werde ich nicht.«
    »Doch, um dich abzusichern. Aber dann ist es nicht mehr das Gleiche. Verstehst du das?«
    »Ich weiß nicht. Ja.«
    »Ich werde da sein. Ich bin gespannt, ob du mich enttäuschst.«
    »So bin ich nicht.«
    »Das weiß ich.«
    »Wirklich?«
    »Beweise es mir.«
    Diesmal hat nicht sie die Droge gewählt, sondern er. Sie nimmt keine Drogen, deswegen musste er sich für eine entscheiden. Leander hat Poppers besorgt, eine halb legale Substanz, dieman über die richtigen Kontakte mühelos bekommt. Poppers sind eine Party- und Sexdroge, die entspannt und zu sexueller Hemmungslosigkeit führt. Die Konsumenten von Poppers verspüren einen sehr kurzen, fünf- bis zehnminütigen Rauschzustand mit einem starken Gefühl von Wärme, vermindertem Schmerzempfinden, sexueller Luststeigerung, Zeitlosigkeit, Hemmungslosigkeit und Muskelentspannung. Die Wirkung setzt wenige Sekunden nach der Inhalation ein. Die Dauer des Rausches hängt von der Inhalationsmenge ab.
    Leander Kern stellt sich vor,
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