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Das Falsche in mir

Das Falsche in mir

Titel: Das Falsche in mir
Autoren: Christa Bernuth
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keinen Fall.
    Teresa ist schuld daran, dass alles wieder in mir aufbricht, Teresa hat meinen schwarzen Bruder befreit, den ich jahrelang unter Kontrolle hatte, nur indem sie ist wie sie ist, und jetzt werde ich diesen lästigen Hausgast nicht mehr los.
    Sie ist schuld.
    »Teresa«, setze ich an, noch vernünftig und sanft, da fährt mir Birgit in die Parade.
    »Sie haben miteinander geschlafen. Hier, in …«
    » Was? «
    Teresa heult sofort wieder los. Birgit sieht mich überrascht an, ich klinge deutlich lauter, bestimmter und härter als sonst.
    » WAS FÄLLT DIR EIGENTLICH EIN ? «
    Bin das ich, der da so schreit?
    »Lukas«, sagt Birgit leicht alarmiert, und ich beruhige mich sofort.
    »Das ist nicht in Ordnung«, sage ich in annähernd normalem Ton, aber es fällt mir schwer, unglaublich schwer, mich zu beherrschen.
    »Das finde ich auch«, stimmt Birgit mit ein, hocherfreut, dass wir diesmal offenbar einer Meinung sind. »Ich bin ahnungslos in ihr Zimmer gegangen, ich wusste nicht einmal, dass sie da ist, und dann sehe ich …«
    »Schon gut«, sage ich. »Wir reden gleich darüber. Teresa, du gehst bitte auf dein Zimmer, bis wir dich rufen.«
    Die Augen fallen mir zu, aber meine Gedanken reißen sie wieder auf. Ich möchte aus dem Bett springen und gleichzeitig in Tiefschlaf fallen.
    Vorsichtig stehe ich auf, suche meine Kleidungsstücke im Dunkeln und verlasse das Zimmer. Birgit hat einen guten Schlaf, und sie ist es gewohnt, dass ich nachts manchmal spazieren gehe. Es ist großartig, eine starke Frau zu haben, die nicht zu Misstrauen neigt.
    Nachdem ich mich im Bad angezogen habe, schleiche ich durch die Wohnung, nehme meinen Anorak und gehe hinaus in die Nacht, die mich lockt wie eine schöne böse Frau voller grausamer Verheißungen. Ich laufe durch die stillen Straßen. Dann höre ich Autolärm, eine Polizeisirene und Stimmen, und ich weiß, dass ich auf dem richtigen Weg bin.
    »Ich bin Annes Vater«, sagt er. Annes Vater. Keinen Nachnamen und nichts weiter. Als müssten alle wissen, wer Anne ist.
    »Bitte?«, fragt Sina Rastegar und fixiert ihn, einen schlankenMann mit Halbglatze, eher vierzig als fünfzig. Sina Rastegar hat vom Nachtmann geträumt, und deshalb ist sie unausgeschlafen und mürrisch.
    »Wer sind Sie denn?«, fragt sie und richtet sich auf.
    Annes Vater reißt sich zusammen und sagt seinen Namen. Krister Martenstein. M-A-R-T-E-N-S-T-E-I-N. Er buchstabiert es, ohne dass Sina ihn darum gebeten hätte. »Meine Tochter ist verschwunden«, erklärt er und sieht sie auffordernd an. Er sitzt auf der äußersten Kante des Stuhls, die Hände in den Manteltaschen, als wollte er sofort wieder gehen. Sein Adamsapfel bewegt sich beim Reden. Sie würde ihn gern zum Vermisstendezernat schicken, wenn es in Leyden eins gäbe, aber es gibt keins. Ihre Dienststelle ist für alles zuständig.
    »Seit wann?«, fragt sie.
    »Seit gestern Nacht«, sagt Krister Martenstein.
    »Also seit«, Sina sieht auf die Uhr, »ungefähr acht Stunden. Stimmt das?«
    »Sie wollte um eins zu Hause sein und ist nicht gekommen. In der Schule ist sie auch nicht. Wir haben alle ihre Freunde angerufen, da ist sie auch nicht.«
    Damit entfällt die Frage, ob sie bei einer Freundin übernachtet hat. Sina bewegt die Maus, und öffnet die Datei »Vermisst«. »Wollen Sie eine Anzeige aufgeben?«, fragt sie pro forma.
    Krister Martenstein sieht sie an, als wäre sie verrückt.
    »Na, was denn sonst?«, fragt er, und urplötzlich bekommt seine Stimme diesen arroganten Chef-Tonfall, den sie nicht ausstehen kann.
    »Das müssen Sie mir sagen«, sagt sie. »Ich kann keine Vermisstenanzeige aufgeben, wenn Sie nicht wollen. Vielleicht wollten Sie sich nur erkundigen, ob Ihre Tochter aufgegriffen wurde oder im Krankenhaus liegt oder was weiß ich. Das wäre dann keine Anzeige, nur eine Erkundigung. Ich muss Sie das also fragen, in Ordnung?«
    Martenstein starrt in ihre Richtung, aber er scheint sie garnicht richtig wahrzunehmen. Er hat immer noch seine Hände in den Manteltaschen vergraben.
    Sina starrt zurück.
    Seine Augen sind blau, seine Augenbrauen blond und buschig, seine Lippen schmal, die verbliebenen Haare kurz geschoren. Er ist gut gekleidet, der anthrazitfarbene Mantel könnte aus Kaschmir sein. Seine Haut ist leicht gerötet, wie bei jemandem, der viel an der frischen Luft ist.
    Martenstein, denkt sie. Plötzlich erinnert sie sich: Krister Martenstein, parteilos, hat vor Jahren einmal für das Bürgermeisteramt kandidiert, wurde
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