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Das Falsche in mir

Das Falsche in mir

Titel: Das Falsche in mir
Autoren: Christa Bernuth
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ließ mich nicht darauf ein. Sie bestellte mir trotzdem einen Drink, ich glaube, eine Margarita.
    Dann alles schwarz.
    Ich kenne das. Es ist nicht mein erster Filmriss. Alle paar Monate fehlt mir eine Nacht in meinem Leben. Birgit weiß davon nichts. Natürlich riecht sie den Alkohol, wenn ich gegen vier Uhr morgens nach Hause komme, manchmal kommentiert sie das auch, aber sie hat mir noch nie eine Szene gemacht. Allerdings hat sie auch keine Ahnung von meinem tatsächlichen Konsum in solchen Nächten.
    Neben mir auf dem Beifahrersitz liegt mein Laptop. Ich öffne ihn und gehe auf die Onlineausgabe unserer Tageszeitung.
    Das Foto von Anne lacht mir ins Gesicht.
    Sie ist es nicht. Sie sieht ihr ähnlich, aber sie ist es nicht. DasMädchen aus der Klavierstunde lebt und ist gesund. Mir kommen fast die Tränen vor Erleichterung, bis mir klar wird, dass diese Erkenntnis überhaupt nichts beweist.
    Anne und ich waren ungefähr zur selben Zeit im »Jensen«, und das ist es, was zählt.

3
    Nachmittags ruft Sina beim Rundfunksender an und lässt sich mit Meret Giordano verbinden. Sie fragt Meret, ob sich jemand auf ihren Aufruf gemeldet habe. Es seien zig Leute gewesen, aber die habe sie alle schon an die Polizei weitergeleitet. »Ich hab meinen Job gemacht«, fügt sie hinzu und lacht. Sina lacht mit, weil sie Meret mag und sie immer sehr kooperativ ist.
    »Und?«, fragt Meret neugierig. »Habt ihr schon …«, sie senkt die Stimme, bis sie dramatisch und verschwörerisch klingt, »… eine heiße Spur?«
    »Nicht mal eine kalte«, sagt Sina. Sie macht ihre Schreibtischlampe an. Die Halogenlampe wirft einen kreisrunden Schein auf das ausgedruckte Vermisstenformular von Anne Martenstein. Sie ist noch nicht einmal vierundzwanzig Stunden weg, aber Sina weiß, dass ihr etwas passiert ist. Sie glaubt keine Sekunde daran, dass Anne weggelaufen ist. Sie ist einfach nicht der Typ dafür, mit ihrem ordentlichen Pagenkopf und dem braven Lächeln.
    »Was ist mit ihrem Handy?«, fragt Meret.
    »Es klingelt, aber sie hebt nicht ab.«
    »Vielleicht will sie nicht gefunden werden.«
    »Vielleicht.«
    Sina weiß, dass es nicht so ist. Sie werden so lange anrufen, bis der Akku leer ist, und dann werden sie wissen, dass Anne tot ist. Sie denkt an den kleinen Jungen vor ein paar Jahren, dessen Leiche Spaziergänger im Wald gefunden hatten. Bei ihm war es auch so gewesen. Erst Klingeln, dann die Mailbox.Dann, als der Akku leer war, nur noch die Mailbox mit seiner kleinen, zarten Stimme.
    »Was machst du heute?«, fragt Meret an Sinas Ohr.
    Ihre Stimme klingt verlockend, aber das tut sie immer, deswegen ist sie ja so erfolgreich.
    »Gehen wir was trinken?«
    Seit einiger Zeit treffen sie sich manchmal abends auf einen Drink. Die Initiative geht meistens von Meret aus. Sie besuchen ein Restaurant und dann gehen sie gern in eine Bar und reden. Meret horcht Sina über ihren Job aus, den sie angeblich superspannend findet, und Sina horcht Meret über ihren aus, weil sie ihn gern hätte.
    Meret arbeitet viel weniger als Sina, verdient aber bestimmt das Dreifache. Sie macht interessante Interviews und kennt unglaublich viele Leute. Manchmal lädt sie Sina in ein feineres Lokal ein, und dann muss sie in alle Richtungen grüßen, und alle starren sie an. Sina ist das unangenehm. Am liebsten würde sie dann wieder gehen.
    »Ja, gern«, sagt sie. »Aber ich muss mich noch umziehen.«
    »Schaffst du es bis sieben?«
    »Halb acht.«
    In den Spätnachrichten unseres lokalen Fernsehsenders wird Annes Verschwinden ebenfalls gemeldet, auch das Foto wird noch einmal gezeigt. Offensichtlich ist die Polizei nicht weitergekommen, es wird in alle Richtungen ermittelt, wie es heißt. Ich habe es mir auf dem Sofa mit einem Glas Wein gemütlich gemacht. Die Mädchen sind bereits im Bett. Teresa hat eine Woche Hausarrest, danach werden wir weitersehen.
    Birgit setzt sich neben mich, ebenfalls mit einem Glas Wein, das sie auf dem Couchtisch abstellt. Sie greift nach der Fernbedienung, um zu den überregionalen News zu zappen.
    Ich halte ihre Hand fest und bitte sie, noch einen Moment zu warten.
    »Kennst du das Mädchen?«, frage ich sie.
    »Nein. Warum? Wer soll das sein?«, fragt sie überrascht.
    »Ein verschwundenes Mädchen namens Anne«, sage ich. »Sie ist in Teresas Alter.«
    »Ach, richtig. Martin kümmert sich darum.«
    Martin ist ihr Kollege bei der Zeitung, er macht die Polizeiberichterstattung.
    »Aha«, sage ich.
    »Warum fragst du mich das? Meinst du,
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