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Das fahle Pferd

Das fahle Pferd

Titel: Das fahle Pferd
Autoren: Agatha Christie
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Fall war es möglich, dass er einer der seltenen Zeugen war, auf deren Aussage man sich verlassen konnte… und die auch daran festhielten.
    Wieder überdachte Lejeune die Entfernung zwischen den beiden Straßenseiten; nachdenklich ruhten seine Augen auf dem Apotheker.
    Er fragte: »Glauben Sie, diesen Mann wiedererkennen zu können, wenn Sie ihm noch einmal begegneten?«
    »Oh, ganz gewiss!«, antwortete Mr Osborne überzeugt. »Ich vergesse niemals ein Gesicht. Das ist eine meiner Spezialitäten. Ich habe oft gesagt, wenn einer dieser Giftmörder bei mir Arsenik kaufen würde, könnte ich ihn noch nach Jahren vor Gericht identifizieren. Und eigentlich habe ich immer gehofft, etwas Derartiges würde einmal geschehen.«
    »Aber bis jetzt war es nicht der Fall?«
    Betrübt musste Mr Osborne dies zugeben. »Und jetzt wird es auch kaum mehr geschehen«, fügte er hinzu. »Ich verkaufe mein Geschäft. Man hat mir einen sehr guten Preis dafür geboten und ich werde mich nach Bournemouth zurückziehen.«
    »Tut Ihnen das nicht leid? – Es scheint doch ein recht schönes Geschäft zu sein.«
    »Alteingesessen«, nickte Mr Osborne mit einigem Stolz. »Es ist seit nahezu hundert Jahren im Besitz unserer Familie. Mein Großvater gründete es und dann wurde es von meinem Vater übernommen. Eine richtige Familientradition. Als Junge sah ich das natürlich nicht ein – mir schien es nur muffig und dumpf. Wie viele junge Burschen bildete ich mir ein, ich sei ein großer Schauspieler. Mein Vater war sehr klug und versuchte nicht, mich davon abzuhalten. ›Probier’s‹, sagte er nur. ›Du wirst bald genug einsehen, dass du kein wirklicher Künstler bist.‹ Und wie Recht er damit hatte. Nach anderthalb Jahren kehrte ich reumütig ins Geschäft zurück und mit der Zeit wurde ich sogar stolz darauf. Wir haben immer nur gute Ware geführt – altmodische, aber Qualität. Doch heutzutage ist es nicht mehr das Gleiche für einen Apotheker, seit er all diese Kosmetiksachen führen soll… Puder und Lippenstifte und Hautcreme und so weiter. Ich selbst rühre das Zeug nicht an, meine Angestellte kümmert sich darum. Nein, es ist nicht mehr wie früher! Darum verkaufe ich das Geschäft und von dem Erlös kaufe ich mir einen netten kleinen Bungalow in der Nähe von Bournemouth.«
    Nach einer Pause fuhr er fort: »Man muss sich zurückziehen, solange das Leben einem noch was zu bieten hat, das ist mein Motto. Ich habe eine ganze Menge Hobbys – Schmetterlinge zum Beispiel. Und gelegentlich beobachte ich Vögel. Außerdem arbeite ich gern im Garten; ich habe eine Menge Bücher darüber. Und natürlich Reisen; vielleicht mache ich eine dieser großen Rundfahrten mit, um fremde Länder kennen zu lernen, ehe es zu spät ist.«
    Lejeune erhob sich.
    »Nun, ich wünsche Ihnen viel Glück dazu«, lächelte er. »Und falls Sie zufällig diesem Mann noch einmal begegnen, ehe Sie London verlassen…«
    »Dann werde ich Sie sofort verständigen, Inspektor. Das ist selbstverständlich. Sie können auf mich zählen. Wie gesagt, ich habe ein gutes Auge für Gesichter und werde meine Augen offen halten. O ja, Sie können sich auf mich verlassen!«

8
     
    I ch kam mit meiner alten Freundin Hermia Redcliffe aus dem Old Vic, wo wir uns eine Aufführung von Macbeth angesehen hatten. Es goss wie aus Kübeln. Als wir über die Straße zu meinem Wagen rannten, bemerkte Hermia ungerechterweise, es regne jedes Mal, wenn man ins Old Vic gehe.
    Ich widersprach und behauptete, sie gehöre nun einmal zu den Menschen, die sich nur an die schlechten Tage erinnerten.
    »Nein, das stimmt nicht«, bemerkte sie, während ich den Motor anließ. »In Glyndebourne habe ich zum Beispiel immer Glück gehabt. Ich könnte mir nichts Herrlicheres vorstellen. Die Musik… und die wunderbaren Blumenbeete… besonders das eine schneeweiße.«
    Wir sprachen eine Weile über Glyndebourne und seine Aufführungen, bis Hermia auf einmal bemerkte: »Wir fahren nicht zufällig nach Dover zum Frühstück oder?«
    »Dover? Welch ausgefallener Gedanke! Ich dachte, wir gehen ins ›Fantasia‹. Nach all dem königlichen Blutvergießen braucht man ein kräftiges Essen. Shakespeare macht mich immer schrecklich hungrig.«
    »Mich auch – genauso wie Wagner. Ein Sandwich mit Räucherlachs in der Pause reicht nicht aus, um den Lärm durchzustehen. Und weshalb ich von Dover sprach: Vielleicht hast du noch nicht bemerkt, dass wir diese Richtung eingeschlagen haben.«
    »Wir müssen einen Umweg
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