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Das Experiment

Das Experiment

Titel: Das Experiment
Autoren: Dinah McCall
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eine Last, die ich mit mir herumtrage. Aber das mache ich frohen Herzens.“
    Die Mutter Oberin lächelte erneut. „Und dieses Herz wird von uns allen sehr geschätzt“, sagte sie sanft. „Nun aber zu etwas anderem. Du hast Post bekommen, sie liegt nebenan auf dem Schreibtisch von Pater Joseph. Warum nimmst du sie nicht an dich, solange er fort ist. Dann musst du ihn später nicht deswegen stören.“
    „Ja, Mutter Oberin. Danke“, sagte Schwester Mary und eilte zur Tür, die ins Nebenzimmer führte.
    „Wandele, Schwester, wandele“, mahnte die Äbtissin die stürmische junge Nonne.
    Schwester Mary kicherte und verringerte ihr Tempo auf gemäßigte, aber ausholende Schritte, während sie durch die Tür ging, um ihre Post zu holen. Es fiel ihr sichtlich schwer, ihr Temperament zu zügeln.
    „Ich habe mein Gepäck schon auf mein Zimmer gebracht“, rief sie über die Schulter in das Büro zurück. „Sobald ich ausgepackt habe, komme ich sofort meinen Pflichten nach.“
    Die Mutter Oberin lächelte kopfschüttelnd. „Es ist schon fast drei Uhr. Du musst dir vor morgen früh keine Gedanken über deine Pflichten machen. Geh und pack deine Taschen aus. Erfreue dich an deiner Post und geh früh schlafen, damit du dich in Ruhe wieder einleben kannst. Morgen ist ein neuer Tag für einen neuen Anfang.“
    Wieder kicherte Schwester Mary. „Ja, Mutter Oberin, und vielen, vielen Dank. Ach, es ist einfach so schön, wieder zu Hause zu sein.“
    Sie eilte so schnell aus dem Zimmer, dass ihre Tracht sich wie ein Segel an einem Mast bei voller Fahrt aufblähte.
    Die Mutter Oberin schüttelte den Kopf und widmete sich dann wieder ihrer Arbeit. Das Kind war beseelt, weiter nichts, und daran war nichts verkehrt. Sie konnten mehr Frauen von dieser Art gebrauchen.
    Schwester Mary ließ sich auf ihr Bett fallen und nahm von der spartanischen Einrichtung nichts wahr, während sie sich in ihre Post vertiefte.
    „Oh wie wunderbar! Ein Brief von Mutter und auch noch einer von Tommy!“
    Tommy war ihr älterer Bruder, dem sie als Kind auf Schritt und Tritt gefolgt war, bis er und seine Freunde sie als ewige Nervensäge ebenso wie als ein Mitglied ihrer Gang akzeptiert hatten. Voller Vorfreude auf Neuigkeiten von zu Hause öffnete sie seinen Brief zuerst und erwartete, etwas über die neuesten Eskapaden ihres jüngsten Neffen zu erfahren. Ihre Hoffnung wurde schnell enttäuscht.
    Hallo, Schwester … Wenn ich mich nicht irre, bist Du doch eine Zeit lang mit Josephine Henley in eine Klasse gegangen, stimmt’s? Ich kann mich nämlich daran erinnern, dass ich mit ihrem älteren Bruder Sammy befreundet war, bis seine Familie weggezogen ist. Jedenfalls habe ich von ihm vor kurzem schlechte Neuigkeiten erfahren. Es scheint so, dass Jo-Jo in Amarillo Selbstmord begangen hat. Sie ist einfach auf die Straße vor einen Truck gelaufen. Es ist alles sehr traurig. Die Familie kann es noch immer nicht fassen. Sie sagen alle, dass sie glücklich war und dass es ihr gut ging. Aber wer weiß schon, was in einem Menschen vorgeht. Ich habe Dir den Zeitungsausschnitt beigelegt, den Sammy mir geschickt hat. Tut mir Leid, dass ich schlechte Nachrichten überbringe, aber ich glaube, dass Du das schon wissen wolltest.
    Ungläubig überflog sie den Ausschnitt, dann ließ sie den Brief auf den Schoß sinken. Ihr Herz war bei der Familie und dem kleinen Mädchen, an das sie sich noch so gut erinnern konnte. Sie würde später für Jo-Jo und ihre Familie beten. Dann nahm sie den Brief ihrer Mutter, überzeugt davon, dass sie angenehmere Neuigkeiten zu vermelden hatte.
    Damit befand sie sich allerdings im Irrtum.
    Georgia, Liebling … Oh, entschuldige, ich muss ja annehmen, dass Du diesen Namen nicht mehr benutzt. Ich freue mich für Dich, aber ich kann mich nicht dazu durchringen, Dich mit Schwester Mary anzureden, darum verzeih mir, Liebling, wenn ich es versäume.
    Ich bin in der letzten Zeit sehr beschäftigt gewesen. Einige Tage in der Woche arbeite ich ehrenamtlich im Krankenhaus. Du solltest mal diese rosafarbenen Uniformen sehen, die wir tragen müssen. An der Hüfte sind sie zu eng und oben herum zu weit. Aber vielleicht bin ich ja auch nur so unförmig, wer weiß? Aaron Spaulding lässt Dich schön grüßen. Du weißt ja, er ist Vizepräsident in der Bank, in der er immer noch arbeitet. Er wäre ein guter Ehemann für Dich gewesen. Zu schade, dass Du Dich von ihm getrennt hast, als er noch Kassierer war. Habe ich Dir übrigens schon geschrieben, dass
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