Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das ewige Leben

Das ewige Leben

Titel: Das ewige Leben
Autoren: Wolf Haas
Vom Netzwerk:
Leben. Aber wenn die Freundin daherkommt und sagt, ich hab den Mann umgebracht, der meinen Vater in den Tod getrieben hat, und jetzt stelle ich mich der Polizei, dann wird derselbe Mensch ausrufen: Auf keinen Fall! Stell dich ja nicht! Das biegen wir schon hin.
    Und bei der Soili war es ja doppelt verhext. Das musst du dir einmal vorstellen. Die wollte sich von Anfang an stellen, aber dauernd hat die Kripo sie daran gehindert. Am Anfang ist sie zum Heinz gelaufen, und der sagt, auf keinen Fall freiwillig stellen, das machen wir schon irgendwie. Und wie sie begriffen hat, was der mit »irgendwie« gemeint hat und dass der Heinz die zwei Zigeuner beseitigt hat, die sie am Faschingsdienstag ganz aufgelöst aus dem Stadion kommen gesehen haben, hat sie es auch noch ihrem Mann gebeichtet. Da wäre der Aschenbrenner gerade kurz auf dem Weg der Besserung gewesen, aber nach der Beichte natürlich.
    »Auf einmal hab ich mich vor dem Heinz mehr gefürchtet als vor meinem Mann«, hat die Soili gesagt und den Schleier zusammengeknüllt wie ein altes Taschentuch, weil sie hat den Hut ja sofort abgenommen, wie sie im Zimmer war, und jetzt haben ihre Finger dauernd mit dem Schleier gespielt.
    »Und wie hat dein Mann reagiert?«, hat der Brenner gefragt.
    »Er hat gesagt, dass er es schon in dem Moment gewusst hat, wo du ihm die Kugel auf den Tisch gelegt hast. Die Aufregung war ja der Grund, dass ihn der Schlag getroffen hat. Er hat ja gewusst, dass meine Mama die Waffe noch hat, und er hat gewusst, dass ich gerade erst die ganze Wahrheit über eure Scheiß-Geschichte von meiner Mutter erfahren habe. Wie er die beschädigte Kugel gesehen hat, hat er nur zwei und zwei zusammenzählen müssen.«
    »Aber es war ja die Kugel aus meinem Kopf.«
    »Das hat er aber nicht gewusst. Weil der Heinz ja wirklich die Kugel verschwinden hat lassen.«
    »Scheiße.«
    »Das hat er auch gesagt, nachdem ich ihm alles erzählt habe.«
    Und nicht nur gesagt hat er das, der Brigadier Aschenbrenner, es war sogar sein letztes Wort auf dieser Welt, und da muss ich sagen, vielleicht ein bisschen kurz und bündig für so einen besonderen Anlass, wo andere große Reden schwingen, aber sonst als Lebenszusammenfassung gar nicht so eine schlechte Wortwahl. Für die Soili war es natürlich bitter, wie sie bemerkt hat, dass sie ihrem Mann mit dem Geständnis einen kleinen Rückfall eingebrockt hat, aber lange hat er nicht mehr leiden müssen, weil am nächsten Tag ist er dann ja schon gestorben.
    Eines hat er ihr aber vor dem letzten Wort noch mit auf den Lebensweg gegeben: Auf keinen Fall stellen! Und auf keinen Fall dem Heinz gegenüber noch einmal erwähnen, dass sie sich stellen will. Weil der Aschenbrenner hat ganz genau gewusst, die Soili ist sonst in Lebensgefahr.
    »Nachdem ich das mit den Zeugen erfahren habe, bin ich ausgeflippt und hab dem Heinz gesagt, dass ich mich sofort stellen will. Und da ist er ausgeflippt.«
    Weil der Heinz ist natürlich sehr böse geworden, wie die Soili noch ein zweites Mal mit diesem Wunsch dahergekommen ist. Kann man auch verstehen, nachdem er die Zeugen beseitigt hat. Aber er hätte es der Soili gegenüber nicht so direkt ausdrücken müssen, dass es nach zwei Morden auf einen dritten nicht mehr so ankommt.
    Du musst wissen, nichts ist im Leben so gefährlich, wie wenn die Liebe sich umdreht.
    Weil allgemein interessant, wenn die positiven Gefühle einmal weg sind, dann sind sie nicht einfach weg. Dann verwandeln sie sich gern in ihr Gegenteil. Da hat so manches Greuel auf der Welt mit Zärtlichkeit und Mitleid angefangen, ja was glaubst du, und vor lauter Liebe würde ich den linken Arm geben für dich, aber eines Tages, man hat es selber nicht richtig gewollt, steht der andere, dem man gerade noch den eigenen linken Arm spendieren wollte, ohne seinen linken Arm da, und du hast drei und weißt nicht wohin damit. Und das ist eben, weil die Skrupel nicht einfach weggehen, sondern oft einmal Gegenteil.
    Deshalb ist die Soili ja in ihrer Verzweiflung zu ihrem Mann, der die ganze Geschichte nicht überlebt hat, und jetzt zum Brenner. Weil ob du es glaubst oder nicht: Der Brigadier Aschenbrenner immer gut über den Brenner gesprochen.
    Und was sagt ihr der Brenner?
    »Auf keinen Fall stellen!«
    Das dürfte die Soili doch in ihren Sternen drinnen gehabt haben. Die Männer wollten einfach nicht, dass sie sich der gerechten Strafe ausliefert. Schon interessant, wenn man bedenkt, dass sie als Polizisten alle ein Leben lang auf der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher