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Das ewige Leben

Das ewige Leben

Titel: Das ewige Leben
Autoren: Wolf Haas
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Heinz hat überall die Soili gesucht, weil er natürlich geahnt hat, dass irgendwas im Busch sein muss, wenn die tagelang nicht auftaucht. Dann hat er wieder beim Campingplatz hinter dem Ostbahnhof herumgeschnüffelt. Wie der Tomas gerade mit zwei Freunden an den Bremsen herumbastelt, kommt der Heinz ganz offiziell als Kripomann daher und erkundigt sich nach der Handleserin.
    »Wann war das?«, hat der Brenner nervös gefragt.
    »Gestern Abend.«
    »Und? Was hat der Tomas getan?«
    »Sie haben den Heinz in den Campingwagen gelockt und -«
    »Und?«
    »- und sind mit ihm nach Hostice gefahren.«
    Der Brenner hat auf die Uhr geschaut. »Wenn sie durchgefahren sind, müssten sie schon dort sein.«
    Er hat sich lieber nicht vorgestellt, was die mit dem Doppelmörder anstellen. Und er hat es der Soili angesehen, dass sie von denselben Gedanken gequält wird. Weil vor dem Heinz hat sie sich jetzt nicht mehr fürchten müssen, aber um ihn hat sie auf einmal fürchten müssen. Und wenn jemand jahrelang dein Freund war, dann ist dir sein Leben nicht von einem Tag auf den anderen vollkommen egal.
    Zu allem Überfluss sind ausgerechnet jetzt aus der Nebenwohnung diese Laute herübergekommen. Da dürfte eine Krankenschwester ihren freien Tag gehabt haben, oder vielleicht Nachtdienst, dass sie sich am späten Nachmittag im Aufwachen mit ihrem Freund so lautstark vergnügt hat.
    »Ich weiß nicht, was mit der Frau los ist«, hat die Soili den Kopf über ihre Nachbarin geschüttelt, »das geht jeden Nachmittag so.«
    Der Brenner hat überlegt, was er fragen könnte, um von der Situation abzulenken.
    »Manchmal weiß ich nicht, ob sie sich vergnügen oder ob sie sich gerade gegenseitig umbringen«, ist die Soili nicht mehr von den störenden Lauten losgekommen.
    »Das weiß man bei diesem Spaß nie genau«, hat der Brenner gesagt, quasi Philosoph. Und weil die Soili dann völlig verstummt ist, hat er doch noch einmal nachgefragt: »Deine Mutter hat dir früher nie was davon erzählt, wie der Saarinen ums Leben gekommen ist?«
    »Sie hat mir immer erzählt«, hat die Soili gelächelt, »dass mein Vater bei der Verfolgung eines bewaffneten Bankräubers gestorben ist.«
    Jetzt war der Brenner fast froh über die Laute aus der Nebenwohnung, weil sonst hätte er womöglich zu lachen oder zu weinen angefangen. »Wie hast du die Geschichte erfahren?«
    »Am zweiten Adventssamstag hat bei uns um ein Uhr früh das Telefon geklingelt.«
    »Das war der Köck. Er hat angerufen, weil ich gerade bei ihm war.«
    »Du weißt ja wahrscheinlich, dass der Köck für meinen Mann als Spitzel gearbeitet hat. Und wie der Erwin ihn loswerden wollte, hat der Köck ihn mit der alten Geschichte unter Druck gesetzt. Ich erinnere mich noch gut,
    wie ihn der Anruf aufgeregt hat.«
    »Und dann hat der Aschenbrenner es dir auch erzählt?«
    »Mir nicht. Aber dem Heinz. Der Heinz war der Einzige, dem er sich anvertraut hat. Er war sowieso gesundheitlich schon so angeschlagen, dass er sich auf seinen Rückzug vorbereitet hat. Mir hätte er es nie erzählt. Er hat ja nichts gewusst vom Heinz und mir.«
    »Und du hast es vom Heinz erfahren?«
    »Der Heinz hat es mir nur verraten, weil es meinen Mann betroffen hat. Wahrscheinlich hätte er es mir auch nicht erzählt, wenn er geahnt hätte, dass der verunglückte Motorradfahrer mein Vater war.«
    Während es draußen langsam dunkel geworden ist, hat die Soili dem Brenner erzählt, wie sie ihre Mutter zur Rede gestellt hat, ob es stimmt, dass ihr Vater selber der bewaffnete Bankräuber war.
    Und oft, wenn man bei einer großen Lüge ertappt wird, freut man sich, wenn man sich wenigstens an einer Kleinigkeit festhalten kann. Jetzt hat die Frau Marie ihrer Tochter zumindest beweisen wollen, dass ihr Vater unbewaffnet in die Bank gefahren ist.
    »Sie wollte verhindern, dass er bei dem Überfall eine Waffe dabei hat. Wenn man eine Waffe in der Hand hat, kann es leicht passieren, dass man auch abdrückt.«
    »Und du hast dann die Waffe in der Hand gehabt, wie du zum Köck ins Stadion gefahren bist.«
    »Zuerst hab ich sie nur in der Handtasche gehabt. Ich wollte ihn nur zur Rede stellen, dass er meinen Mann nicht mehr belästigen soll, weil er krank ist und sich sowieso zurückzieht. Dann hat der Köck gesagt: Du bist doch die Tochter vom Saarinen. Und ein Wort ergibt das andere. Ich hab zu ihm gesagt, es reicht, dass du meinen Vater ins Grab gebracht hast. Weil meine Mutter hat mir erzählt, dass der Köck damals der
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