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Das ewige Leben

Das ewige Leben

Titel: Das ewige Leben
Autoren: Wolf Haas
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Seite der Gerechtigkeit unterwegs waren. Aber wahrscheinlich ist es mit der Gerechtigkeit genau gleich wie mit allen anderen Sachen. Wenn du sie zu sehr aus der Nähe kennst, glaubst du nicht mehr recht daran.
    »Du darfst dich auf keinen Fall stellen«, hat der Brenner noch einmal gesagt, weil die Soili so ungläubig den Kopf geschüttelt hat. »Wir finden schon irgendeine Lösung.«
    Die Soili hätte schon auswendig mitreden können bei diesen Sätzen, so gut hat sie das alles vom Heinz und vom Aschenbrenner gekannt.
    »Du darfst mich auch nicht mehr im Krankenhaus besuchen«, hat der Brenner ihr gesagt. »Wenn der Heinz das mitkriegt, bist du tot. In einer Woche komme ich hier wieder hinaus. So lange darfst du dir vom Heinz nichts anmerken lassen.«
    Die Soili hat so trotzig am Brenner vorbeigeschaut, als hätte er ihr gerade den fürchterlichsten Vorschlag ihres Lebens gemacht. Und ich muss ganz ehrlich sagen, es war auch der fürchterlichste Vorschlag ihres Lebens. Oder würdest du eine Woche lang mit einem Liebhaber verbringen wollen, wo du weißt, ein falsches Wort, und er räumt dich auf die Seite?
    »Da stelle ich mich lieber gleich«, hat die Soili gesagt. »Dann ist endlich eine Ruhe.«
    »Auf keinen Fall stellen!«
    Der Brenner hat jetzt richtig gut verstehen können, dass den Brigadier Aschenbrenner an dieser Stelle der Schlag getroffen hat, weil ihn hat es auch fürchterlich aufgeregt.
    »Dann musst du mir gleich helfen«, hat die Soili gesagt. »Nicht erst in einer Woche. Ich trau mich nicht mehr heim. Und zu ihm trau ich mich schon gar nicht. Aber wenn ich mich nicht mit ihm treffe, weiß er schon alles. Er ist sowieso schon misstrauisch genug.«
    »Schließlich hat er es für dich getan.«
    Da ist mit dem Brenner eben für einen Augenblick das Verständnis für den Liebhaber durchgegangen. Und ganz Unrecht hat er ja nicht gehabt. So furchtbar es war, was der Major Heinz getan hat, er hat es nicht für sich getan. Aber so ist es mit den Liebesgaben auf dieser Welt, die Empfänger heben sich leicht einen Bruch daran. Und da muss man jetzt den zornigen Blick der Soili auch wieder verstehen, schließlich hat sie den Heinz nicht darum gebeten.
    »Du hast Recht«, hat er sofort gesagt, um sein Verständnis für den Heinz wieder gutzumachen und ihren Blick wieder loszuwerden, »es ist zu gefährlich. Aber ich kann nicht schon wieder zu früh aus dem Krankenhaus verschwinden. Der Professor Hofstätter hat gesagt, die Narbe ist mir aufgegangen, weil ich schon letztes Mal viel zu früh keine Ruhe gegeben habe.«
    »Auf der ganzen Station reden sie davon, dass es ein Wunder ist, wie du das ein zweites Mal überlebt hast.«
    »Eben.«
    »Eben«, hat die Soili gesagt und so verzagt in sich hineingeschaut, dass der Brenner ihr am liebsten den Schleier-Hut aufgesetzt hätte, weil er hat diesen Blick nicht gut ausgehalten.
    Sie hat den Hut aber nicht aufgesetzt. Sie ist einfach sitzen geblieben und hat mit diesem Blick, den der Brenner nicht ausgehalten hat, in sich hineingeschaut. Aber so ist es im Leben. Weil gerade durch die Resignation in ihren Augen hat der Brenner dann eine Idee gehabt. Er hat sich erinnert, dass er irgendwo in seinem Leben schon einmal so schöne schwarze Augen gesehen hat. Nein, zweimal.
    Im Grunde sogar öfter, aber zweimal ist es ihm so richtig aufgefallen, dass er noch nie so schöne, schwarze Augen gesehen hat. Wie er am Neujahrstag aus dem Koma aufgewacht ist. Und wie er auf dem Weg nach Hostice auf dem Güterzug aufgewacht ist.
    »Ich wüsste schon wen, der dich versteckt, bis ich hier entlassen werde. Aber ich fürchte, so schön wie du wohnt der nicht.«
    Eine halbe Stunde später hat der Tomas die Soili schon abgeholt. Er hat sich extra in Schale geworfen, schwarze Anzugshose mit orangen Nadelstreifen, buntes Blumenhemd und darüber ein glänzendes Gilet mit glühenden Neon-Augen drauf, Jimi Hendrix nichts dagegen. Daneben die Soili in ihrem knöchellangen Kunstpelzmantel, die beiden haben so ein hübsches Paar abgegeben, dass der Brenner am liebsten doch noch gesagt hätte, ich komme mit. Aber er hat gewusst, jetzt ist es zu spät.
    »In ein paar Tagen ist mein Campingwagen fertig«, hat der Tomas ein bisschen angegeben, »dann können wir überhaupt aus Graz verschwinden, wenn du willst.«
    Weil er hat den Campingwagen von seiner Tante schon wieder fast so weit gehabt. Aber der Brenner natürlich abgewehrt und um Gottes willen, auf keinen Fall den Campingwagen, weil den kennt der
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