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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen
Autoren: William Horwood
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du denn überhaupt hin?«, fragte Arthur. »Und wann kommst du wieder?«
    »Nach Hyddenwelt«, antwortete sie ohne Zögern. »Und wann ich wiederkomme, weiß ich nicht.«
    Sie umarmte ihn fest, denn sie wusste, dass er allein im Haus zurückbleiben würde. Aber sie hatte kein ungutes Gefühl dabei. Er brauchte jetzt Zeit für sich, so wie sie und Jack.
    »Wir kommen bald wieder«, flüsterte sie, »und holen dich. Aber fürs Erste ...«
    »Nun geh schon!«, sagte er.
    Mit dem Knüppel in der Hand durchschritt sie das Henge und gelangte nach Hyddenwelt, als wäre sie darin Expertin.
    »Ein Kinderspiel«, dachte sie bei sich, aber der anschließende Marsch war beschwerlich. Um zwei Uhr morgens erreichte sie schließlich Wayland’s Smithy. Der Hund weckte Stort, der gähnend zu ihr kam.
    »Wo ist er?«
    »Ich hatte mich schon gefragt, wo der Hund ... ah, dem Himmel sei Dank, du hast seinen Knüppel. Er ist da drüben.«
    »Geht es ihm gut?«
    »Das weiß nur der Spiegel«, antwortete Stort. »gestern lag er im Sterben, heute könnte er uns allen davonlaufen ...«
    Sie ging zu ihm. Er lag auf dem Boden, und sie schlang die Arme um ihn. Er dachte, es sei Cluckett, die ihm eine weitere Behandlung verabreichen wollte, bis sie ihn küsste.
    Da umarmte er sie so fest wie noch nie.
    »Ich liebe dich«, sagte er.
    »Ich dich auch.«
    Drei Tage später saßen Jack und Katherine am frühen Morgen auf dem White Horse Hill und warteten auf den Sonnenaufgang. Alle anderen bis auf Stort hatten sich bereits auf den Rückweg nach Brum gemacht, und auch sie waren auf dem Sprung.
    Stort stand auf der anderen Seite des Hügels allein im Wind.
    Jeder hatte seine eigene Art, von der Vergangenheit Abschied zu nehmen und die Zukunft zu begrüßen.
    »Sie ist noch hier«, sagte Katherine leise. »Ich glaube, sie wartet.«
    »Ich auch«, sagte Jack. »Aber es wird Zeit, dass wir sie loslassen, damit sie sie selbst sein kann.«
    Sie sprachen nicht von Margaret, deren Geist fort war, ihnen weit voraus. Sie sprachen von Judith.
    Katherine hatte auf ein Zeichen gehofft, aber sie wusste nicht, was für eines. Auf irgendein Zeichen, das ihr sagte, dass ihre Tochter frei war, wenn schon nicht von den Verletzungen des Lebens, so doch von ihrer Kindheit. Ihre Freiheit würde auch Katherines Freiheit sein.
    »Ich habe Angst um sie«, sagte Katherine.
    »Und ...?«, fragte Jack.
    »Und um mich selbst.«
    »Wir haben noch das ganze Leben vor uns und haben schon so viel getan.«
    »Ja«, sagte sie, ohne es wirklich zu glauben.
    »Sie ist hier«, flüsterte Katherine später und fröstelte ein wenig in der morgendlichen Kühle. Sie stand auf.
    »Ich würde sie gern noch ein letztes Mal sehen, bevor wir nach Brum aufbrechen.«
    »Schau!«, sagte Jack. »Da unten in der Talmulde.«
    Er deutete auf die Nebelgeister, die sich am Fuß des Hügels sammelten und darauf warteten, dass die Sonne sie vertrieb. Dort unten hatte Judith, kaum mehr als ein Kind, vor Freude darüber, die Welt zu entdecken, die Arme in die Luft gestreckt.
    »Wir sollten gehen«, sagte Jack.
    Doch Katherine zögerte noch, hoffte.
    »Sie ist so einsam«, sagte sie.
    »Nein«, erwiderte Jack, »du glaubst, dass du es bist. Aber du bist es nicht. Du hast mich, und wir haben uns.« Er grinste sie an. »Stort wird uns schon einholen. Er ruht sich aus und denkt nach, wie immer. Auch er will Abschied nehmen. Jetzt lass uns gehen. Wir folgen eine Weile dem Kammweg und gehen dann hinunter auf den Pilgerweg nach Brum. Den kennen wir gut genug.«
    Augenblicke später zeigte sich endlich die Sonne, und sie blieben stehen, um den Moment zu ehren. Der Nebel wurde von Licht durchflutet und geriet in Bewegung.
    »Es ist immer so schön, wenn die ersten Sonnenstrahlen den Nebel küssen«, sagte Katherine.
    Im Westen waren die Bäume noch dunkel, und der Buchenhain, der Wayland’s Smithy umgab, das Hügelgrab am Horizont, hob sich dunkel gegen den erwachenden Himmel ab.
    Sie standen nebeneinander da.
    Es bestand kein Grund zur Eile.
    Dafür lebte man.
    Getrappel, leichtfüßig und schnell, und ein grauer Schatten huschte vor ihnen durchs Gras und jagte Nebel über den Hügel.
    »Morten«, sagte Katherine, die den Hund aus Byrness wiedererkannte. »Judith muss in der Nähe sein. Vielleicht sehen wir sie doch noch.«
    Wir warteten in der Stille der Dämmerung.
    Stort ruhte sich aus, denn er war mitten in der Nacht aufgestanden, hatte seinen Rucksack gepackt und ihn unter dem Weißdornbusch auf dem Hügel
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