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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen
Autoren: William Horwood
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so sicher, wie sie seinen Namen wussten. Und sie wussten, dass es ein außergewöhnliches Kind war, vielleicht sogar anders als jedes andere Kind zuvor. Es hatte einen Namen, es hatte eine Aufgabe, und Mond und Sterne schienen hell in dieser Nacht, um ihm dorthin zu leuchten, wo es geboren werden sollte.
    »J...Jack ... es ist ... ich ...«
    Sie lehnte sich auf ihn, stöhnte und flüsterte: »Wie weit ist es noch, denn ich glaube nicht ...«
    Wieder stöhnte sie, wieder entfuhr ihr ein Schrei.
    Die Steigung flachte ab, als sie den Rand der Weide erreichten, und nur ein träge durchhängender Stacheldraht trennte sie noch von den Bäumen dahinter, die aussahen wie ein Wald, aber keiner waren.
    Diese Bäume waren Teil eines Henges aus Lebendholz, eines Lebenskreises. Am Boden wehte kein Lüftchen, doch weiter oben spielte ein Wind in den Ästen und säuselte im frischen, jungen Laub.
    Es war ein geflüsterter Willkommensgruß, ein Seufzer der Erleichterung, die Versicherung, dass sie gebraucht und geliebt wurden. Es war die Stimme der Erde selbst, die zu ihnen sprach. Und die Sterne, welche die Augen des Universums waren, sahen zu und zwinkerten am schwarzen Himmel – wie sie es schon seit neun Monaten taten, von dem Augenblick an, da die Schildmaid in Liebe empfangenworden war und Jack sich mit Katherine auf den langen Weg nach Hause gemacht hatte, um sie sicher in die Welt der Sterblichen zu bringen.
    Jack ergriff den Stacheldraht und bog ihn nach oben.
    »Ich kann mich nicht bücken ...«
    »Doch, ich glaube schon«, sagte er.
    Von ihm gestützt, duckte sie sich seitlich unter dem Draht durch und richtete sich stöhnend und mit verzerrtem Gesicht wieder auf.
    Sie gingen zwischen zwei Hengebäumen hindurch und über den runden Grasplatz. Auf der anderen Seite blieb Katherine keuchend stehen. »Ich glaube ... Jack ... sie kommt, sie will geboren werden.«
    Er spähte durch das Henge hinüber zu Woolstone House, das ganz im Dunkeln lag. Die Entfernung war zu groß. Sie konnten es nicht mehr rechtzeitig erreichen.
    Das Flüstern des Windes wurde dringlicher. »Hier«, sagte Jack. »Hier wirst du sie bekommen.«
    Er führte Katherine ein paar Schritte zum nächsten Baum.
    »Halte dich an ihm fest. Ich bereite dir ein Lager, auf das du dich legen kannst. Es dauert nur einen Augenblick.«
    »Beeil dich!«
    Er setzte den großen, schweren Rucksack ab und öffnete ihn. Er handelte nur nach Gefühl, so wie er es in Hyddenwelt in anderen Notfällen, dem größten von allen, gelernt hatte. Er breitete etwas aus, worauf sie sich legen konnte.
    »Jaaaaack!«
    Als er zu ihr trat, klammerte sie sich an ihn.
    »Mein Gott, tut das weh.« Sie grub die Finger in seine Arme. »Oh ...«
    Er führte sie zu dem behelfsmäßigen Bett, half ihr, sich hinzulegen, schob ihr den Rucksack als Kopfkissen unter.
    Dann blickte er zum Haus.
    »Ich könnte versuchen ...«
    Sie stieß einen leisen Schrei aus und drückte lachend seine Hand.
    »Du klingst noch ängstlicher als ich ... ich ... oooh!«
    »Das bin ich auch.« Er kniete neben ihr nieder, hielt sie fest, streichelte sie, gab ihr Kraft. »Das bin ich auch.«
    Die Schmerzen ließen vorübergehend nach, sie atmete wieder tiefer und fragte: »So ... und was nun?«
    »Ich glaube, was nun geschieht, ist ziemlich klar«, sagte er nüchtern, »aber wir brauchen Licht.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Mond und Sterne spenden genug Licht«, widersprach sie, Liebe und Angst in den müden Augen. Sie hielt sich an ihm fest, um sich zu beruhigen.
    »Na ja ...«, sagte er. »Der Platz ist gar nicht so übel für ...«
    »Jack ...!«
    »Ich bin ja da.« Er hielt sie beschützend. »Ich bin ja da ...«
    Und dann schrie sie, schrie und weinte, schrie und stöhnte und weinte, während der Mond über den Kreis der sich wiegenden Bäume des Henges wanderte.
    »Pressen«, sagte er. »Du musst pressen.«
    »Jack ... sie ... hilf ... mir ...!«
    Seine großen, starken Hände verschränkten sich mit ihren, als sie das Kind, glitschig und warm, im Dunkeln zwischen ihren Beinen spürte. »Oh Jack ... sie ...«
    Sie schrie, und auch das Kind tat seinen ersten dünnen Schrei über die Erde und hinaus ins Universum. Dann noch einen.
    »Jack, hilf mir ...«, keuchte Katherine.
    Er legte ihr das Kind auf den nackten Bauch, dann an die Brust, und sie hielt es, hielt es fest, wie für immer, als wollte sie es nie wieder loslassen.
    Und Jack, auch er nun erschöpft, hielt sie beide.
    Endlich ...
    »Du weißt, was zu tun ist
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