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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen
Autoren: William Horwood
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wenige Augenblicke freigelegt worden, bis ihn das Wasser, das nun zurückkommt, endgültig in die Vergessenheit stürzenwird. Dir bleibt nicht genug Zeit, um nachzusehen, was darunter schimmert.«
    Aber Stort hörte nicht auf sie.
    Er watete bis zu den Knien in den Schlamm und fasste unter den umgefallenen Schmelzofen. Er schob die Hand durch Matsch und Kies und tastete nach der Quelle des Lichts. Mit den Fingerspitzen fühlte er sie, konnte sie aber nicht greifen.
    »Das muss der Stein des Frühlings sein«, rief er verzweifelt, »aber ich bekomme ihn nicht zu fassen!«
    Die Erde unter ihm erzitterte, als sich die Welle wieder den Hügel herabwälzte und dabei an Kraft gewann.
    »Komm zurück, Bedwyn Stort«, rief Imbolc. »Ich kann dich nicht beschützen, wenn du dort bleibst. Komm zurück!«
    Doch Stort gehorchte nicht. Immer wieder stieß er die Hand unter den Schmelzofen, überzeugt, das ganze Geheimnis um den Stein des Frühlings endlich lüften zu können, wenn er nur weit genug den Arm ausstreckte und ihn zu fassen bekam.
    Die Erde bebte noch stärker. Stort streckte den Arm zu weit aus. Der Schmelzofen, groß und schwer und unter der Wucht der heranstürzenden Wassers erzitternd, verrutschte ein kleines Stück und dann noch ein Stück und klemmte Storts Arm in dem Augenblick ein, als seine Hand den Stein umschloss.
    »Ich habe ihn!«, rief Stort. »Ich sehe das schöne Licht, das ihn umgibt. Nur kann ich nicht von der Stelle! Aber wenigstens habe ich, bevor ich sterbe, den Stein berührt, den der große CraftLord, der Sie liebte, angefertigt und verloren hat!«
    Tapfere Worte eines tapferen Hydden, doch nicht die Wahrheit.
    Denn weit über ihm riss der Himmel auf. In dem großen Spalt flammten für einen Augenblick die Feuer des Himmels auf, ehe sich ein großer Schatten davorschob, der nicht einmal den hellsten Lichtstrahl durchließ. Er nahm die Gestalt eines Sterblichen an, so groß wie der Himmel darüber.
    Eine Hand fasste aus dem Schatten, griff unter den Schmelzofen und hob ihn von Storts Arm.
    Überrascht und erleichtert schaute Stort auf. Er erblickte zwei große Sterne und wusste, dass es die Augen des unsterblichen Beornamund waren.
    In diesem Augenblick traf die Welle Imbolc und ihn, doch Beornamund beschützte sie beide. Umgelenkt durch seine riesige Hand, schoss das Wasser über ihre Köpfe hinweg, ohne ihnen etwas anzuhaben. Das Tosen verklang, Stille kehrte ein, und die Gefahr war vorüber.
    Stort saß, die Kleider halb vom Rücken gerissen, im Schlamm, öffnete die Faust und blickte hinein. Da lag er, der verlorene Stein des Frühlings, in dessen tiefem Innern das Licht eines neuen Lebens glomm.
    »Gib ihn mir«, befahl Beornamund.
    Stort gehorchte bereitwillig, denn ein Sterblicher sollte dergleichen nie lange in der Hand halten.
    Dann wandte sich Beornamund an Imbolc, die, den Kopf zwischen den Sternen, Stort nun ebenfalls weit zu überragen schien. Der CraftLord setzte den Edelstein an seinen Platz in dem alten Anhänger um ihren Hals.
    Sogleich kehrte ihre Jugend zurück, und sie war wieder so strahlend schön wie im Frühling ihres Lebens, als Beornamund ihr zum ersten Mal begegnet war.
    Sie nahm den Anhänger vom Hals, kniete neben Stort nieder, so jedenfalls schien es ihm, und schob den Anhänger mit dem Stein in seine Jacke, wo er sicher war.
    »Trage ihn für die Schildmaid, die heute Nacht geboren worden ist. Gib ihn ihr, wenn sie dafür bereit ist. Bewahre ihn sicher auf und behalte das Geheimnis für dich. Trage die Last, wie nur du es vermagst, trage sie für sie mit derselben Liebe, die du für Mutter Erde und alle Dinge in ihr und auf ihr empfindest. Wirst du das für meine Schwester und mich tun?«
    »Ja«, antwortete Bedwyn Stort, dem vor Müdigkeit die Augen zufielen. »Ja, das werde ich ...«
    »Schlaf nicht ein, Bedwyn Stort, nicht hier ... Steh jetzt auf, geh nach Hause, geh nach Brum, lass dich in den kommenden Tagen von deinen Freunden pflegen, denn du bist heute Nacht weiter gereist als nur auf einer Pilgerstraße der Sterblichen. Sieh dich vor, denn die Fluten toben auf und ab, und der Jahreszeitenwechsel ist noch im Gange.«
    Stort stand auf und taumelte den Hang hinab. Erst am Fuß des Hügels blieb er stehen und blickte zurück.
    Die Wolken schoben sich wieder zusammen, wirbelten und wälzten sich über den Himmel, bis sie, angestrahlt von den Gestirnen, die Gestalt des weißen Pferdes annahmen, das durch das Universum zum Waseley Hill galoppierte.
    Beornamund hob
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