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Das erste Jahr ihrer Ehe

Das erste Jahr ihrer Ehe

Titel: Das erste Jahr ihrer Ehe
Autoren: Anita Shreve
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Ratten. Waren sie im vergangenen Jahr ausgerottet worden? Sie glaubte es nicht. Sie würde sich bis obenhin zudecken und ganz dicht an Patrick schlafen. Seine Hand würde sie nicht halten, das wäre ein zu schmerzhaftes Echo gewesen.
    »O Gott«, sagte Everdene, als sie einen Blick in die Banda warf.
    »Haben Sie Bodenplanen mit?«, fragte Margaret.
    »Ja. Mein Gott, ist das furchtbar.«
    »Es ist ja nur für eine Nacht.« Margaret hatte vorgehabt, ihr Bettzeug hereinzubringen und gleich zurechtzulegen, aber dann überlegte sie es sich anders. Die Vorstellung, in einen Schlafsack mit einer Ratte darin zu schlüpfen, war zu grausig. »Warten Sie«, sagte sie zu Everdene, die ihr Bettzeug auf eine der schmutzigen Matratzen geworfen hatte. »Ich sage Ihnen jetzt etwas, das mir letztes Jahr niemand gesagt hat, obwohl ich es gern vorher gewusst hätte. Es kann sein, dass hier Ratten aufkreuzen, wenn wir ins Bett gehen.«
    »Hier, in der Banda?«, fragte Everdene entsetzt. Das Haar klebte ihr schweißnass am Kopf.
    Margaret nickte. »Ich wollte Sie warnen, weil mir beinahe das Herz stehen geblieben wäre, als mir eine über die Hand lief. Richten Sie Ihr Bett erst unmittelbar bevor Sie sich hinlegen her. Ziehen Sie sich den Schlafsack so weit wie möglich übers Gesicht, und lassen Sie die Hände drinnen. Die Biester haben mich zwar fürchterlich erschreckt, aber sie haben keinem von uns etwas getan. Ich glaube, sie rennen nur herum und suchen etwas zu fressen. Wahrscheinlich hauen sie ab, wenn sie nichts finden. Das Beste ist, Sie denken einfach nicht daran und versuchen zu schlafen. Sie machen sich sonst nur fertig. Haben Sie Schlafsäcke, die sich mit Reißverschluss aneinanderkoppeln lassen?«
    »Ja. Wir haben sie gestern Nacht nicht benutzt, weil wir Feldbetten hatten.«
    »Dann schließen Sie sie zusammen«, sagte Margaret. Sie und Patrick würden es auch tun. »Ich weiß nicht, ob Sie Kevin vorwarnen wollen. Vier von uns haben letztes Jahr durchgeschlafen, ohne etwas von den Ratten zu merken.«
    »Ich sage ihm nichts«, entschied Everdene. »Er schläft wie ein Murmeltier. Aber danke, dass Sie mir Bescheid gesagt haben. Ich hätte geschrien wie am Spieß, wenn ich etwas gemerkt hätte.«
    »Ihr Mann schnarcht überhaupt nicht«, stellte Margaret fest.
    Everdene lachte. »Nein.«
    »Ich bin neidisch«, sagte Margaret.
    Everdene war sichtlich erleichtert, endlich im Camp angekommen zu sein, mochte es auch noch so primitiv sein, und erholte sich schnell. Nur Patrick schien nicht ganz auf der Höhe zu sein. Sein Gesicht war blass und fleckig, und er saß teilnahmslos da, während einer der Träger ihm den Schmutz vom Rücken seines Parkas wusch.
    Margaret setzte sich neben ihn. »Alles in Ordnung?«, fragte sie.
    »Ich glaube schon. Ich muss mich nur ein bisschen erholen.«
    »Keine Gesangseinlage heute Abend, hm?«
    »Weißt du, was es zu essen gibt?«
    »Lass mich raten.« Sie legte einen Finger an die Wange. »Eintopf?«
    »Ich habe sowieso keinen Hunger.«
    Margaret musterte ihren Mann genauer. »Das klingt nicht gut, Patrick. Vielleicht bist du höhenkrank.«
    »Ich sage, ich muss mich ein bisschen erholen, und du redest gleich von Höhenkrankheit?«
    Margaret erinnerte sich an etwas, das entweder Arthur oder Willem damals gesagt hatte: Oft gibt derjenige, der an Höhenkrankheit leidet, es als Letzter zu. Sie würde auf Patrick aufpassen. Vielleicht würde eine Nacht Akklimatisierung helfen. Es war immerhin möglich, dass er etwas gegessen hatte, was ihm nicht bekommen war. Er selbst wäre der Erste gewesen, der gesagt hätte, dass man ja nicht immer gleich das Schlimmste vermuten musste.
    »Ich schließe jetzt mal unsere Schlafsäcke für heute Nacht zusammen«, sagte sie.
    »Das mach ich schon.«
    »Aber wenn du dich hinlegen willst und dir nicht gut ist, dann sag’s mir. Dann geh ich rein und mach’s.«
    »Ach ja, die Ratten«, sagte er.
    »Genau.«
    Dabei ließ sie es bewenden.
    An diesem Abend wurden wieder die Spielkarten herausgeholt, und Margaret nahm Patricks Platz ein. Sie spielten Gin Rummy, bis es dunkel wurde. Auf Margarets Vorschlag hin legten sie sich alle drei rücklings auf die Erde, um die Sterne zu betrachten. Patrick hatte sich auf das Doppellager verkrochen, das Margaret vorher gemacht hatte. Kevin hatte sich schon beim Essen, das Patrick nicht mit ihnen eingenommen hatte, erkundigt, ob es ihm nicht gut gehe. Er brauche wahrscheinlich nur etwas Ruhe, hatte Margaret gesagt, aber sie sollten
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