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Das erste Jahr ihrer Ehe

Das erste Jahr ihrer Ehe

Titel: Das erste Jahr ihrer Ehe
Autoren: Anita Shreve
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fügte sie lächelnd hinzu, »weißt du schon, dass wir Ziegen sind?«
    Margaret lag lange wach. Sie dachte an das letzte Jahr, als sie mit zitternden Beinen am Feuer gesessen hatte und später erschöpft eingeschlafen war, sobald sie ihren Kopf aufs Kissen gelegt hatte. Jetzt war sie erregt und ängstlich. Es musste der Gletscher sein. Sie fühlte sich schon jetzt so, wie sie sich ihrer Vorstellung nach fühlen würde, wenn sie den Fuß auf das Eis setzte.
    Sie wünschte, sie und Patrick hätten bei Njoroge und den Trägern draußen im Freien geschlafen. Ihr war nur ein kurzer Blick auf die Sterne vergönnt gewesen, als die Tür noch einen Moment offen gestanden hatte, nachdem die Laterne gelöscht worden war. Wie wunderbar wäre es, draußen auf der Erde zu liegen und zu einem klaren Sternenhimmel hinaufzuschauen. Sie fand es verheißungsvoll, dass die Sterne überhaupt zu sehen waren. Vielleicht hatte die drohende Wolke, die ihr vorher aufgefallen war, sich verzogen.
    »Bist du wach?«, flüsterte Patrick.
    »Ja.«
    »Mir macht’s Spaß. Dir auch?«
    »Was für ein Unterschied zum letzten Jahr. Das war wirklich eine gute Idee.«
    »Ich liebe dich«, sagte er.
    »Ich liebe dich auch«, sagte sie.
    Der Sonnenschein machte den Aufstieg über den Vertical Bog nicht leichter, aber er hob die Stimmung, sodass Margaret sich nicht gleich überfordert fühlte von dem steilen Gefälle und dem schlammigen Boden. Bisher hielt sich die Wolke im Großen und Ganzen hinter den Berggipfeln. Ganz oben wogte es blauschwarz. Ein Gott, der sie im Auge behielt, dachte Margaret. Ein nicht sonderlich freundlicher Gott. Mit etwas Glück würde die Wolke weiterziehen und sie in Frieden lassen.
    Everdene hatte Mühe mit dem Sumpf. Margaret blieb bei ihr.
    »Grässlich«, sagte Everdene und bemühte sich, trotzdem zu lächeln.
    »Teuflisch«, stimmte Margaret zu.
    »Dante hätte sich das als Vorlage nehmen können«, fügte Everdene um den Preis kostbarer Atemluft hinzu.
    »Wenn Sie oben sind, wird es Ihnen gleich besser gehen.«
    »Vorausgesetzt, ich komme überhaupt oben an.«
    »Aber natürlich. Keine Sorge.«
    Patrick und Kevin schafften es nicht, ihr eigenes Tempo zu bremsen. Immer wieder gingen sie voraus und warteten dann, bis Margaret und Everdene aufgeholt hatten. Dann ließen sie sie einen Moment rasten und wieder zu Atem kommen, bevor sie wieder lospreschten, nur um dann wieder warten zu müssen. Margaret, die sich auf dieser Etappe etwas besser hielt als Everdene, genoss es, einmal nicht die Letzte zu sein, aber sie dachte nicht daran, sich irgendwie damit zu brüsten. Sie blieb bei Everdene, machte ihr immer wieder Mut, versuchte, sie mit Scherzen aufzuheitern, und riet ihr oft, lieber nicht zu sprechen. In der Mitte des Sumpfgeländes machten sie alle vier eine Pause, um zu trinken. Margaret staunte über Njoroge, der bei aller Anstrengung kaum Wasser brauchte. Wie ein Kamel, dachte sie – es sei denn, er trank, wenn sie gerade nicht schaute. Aber das hielt sie für unmöglich: Er war ja immer vor ihnen und niemals außer Sicht.
    Während der kurzen Rast erklärte Margaret Everdene, dass die Gruppe später auf dem Gletscher dreißig Sekunden anhalten würde, damit sie – Margaret – hinunterschauen konnte. Im Jahr vorher habe sie das nicht geschafft, sagte sie, und sie wolle ihre Angst unbedingt besiegen. Der Führer wisse schon von dem Plan, nur Kevin müsse noch informiert werden.
    Everdene nickte, nicht fähig, zu sprechen.
    Oben setzten sich beide Frauen nieder, obwohl der Boden auch hier noch morastig war. Patrick, der merkte, dass es Everdene nicht gut ging, winkte dem Führer.
    »Ich glaube, wir brauchen eine Pause und Wasser«, sagte er.
    Kevin setzte sich neben seine Frau, und sie lehnte den Kopf an seine Schulter. Patrick erzählte die Geschichte von den Afrikanern, die das erste Mal auf dem Berg gewesen waren und beim Anblick des zu Eis gefrorenen Wassers im Kochtopf geglaubt hatten, es sei verhext worden. Eine starke Leistung von Patrick, fand Margaret, der selbst ziemlich außer Atem war. Einzig an Kevin schien die Strapaze spurlos vorübergegangen zu sein.
    »Sie sind unglaublich«, sagte Margaret zu ihm. »Sie müssen eine Wahnsinnslunge haben.«
    »Kann’s mir selbst nicht erklären«, erwiderte er. »Ich bin genauso verblüfft wie Sie.«
    Njoroge, der in der Nähe stand, musterte die Gipfel. »Die Regenzeit ist im Anmarsch«, sagte er.
    Als sie sich Mackinder’s Camp näherten, dachte Margaret an die
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