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Das Erlkönig-Manöver

Das Erlkönig-Manöver

Titel: Das Erlkönig-Manöver
Autoren: Robert Löhr
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ist: die Kammerdiener und Zofen von Versailles, die Minister, vor allem aber seine Schwester, die Madame Royale.«
    »Und wer sollte für diesen Austausch verantwortlich zeichnen? Sie haben selbst gesagt, dass die Royalisten unter den Jakobinern nahezu ausgerottet wurden.«
    »Es war kein Royalist, sondern ein Republikaner: der Vicomte de Barras. Er wollte mit dem Knaben Druck auf Louis’ Bruder ausüben, den Comte de Provence, der, sollte es je zu einer Restauration kommen, der nächste König würde. Dass ihm der Dauphin im Laufe seiner Flucht entwischte, entsprach freilich nicht seinen Plänen.«
    Carl August legte eine Hand auf Goethes Bein. »Mei ne Anwesenheit und die Anwesenheit der Repräsentanten dreier Staaten ist Beweis dafür, dass Madame Bottas Geschichte der Wahrheit entspricht: Der Dauphin lebt – oder vielmehr: Ludwig XVII. lebt. Wir wollen, dass er den französischen Königsthron besteigt, die Jakobiner, die Bonapartisten und die Royalisten aussöhnt und das Blutvergießen in Europa beendet. Ganz davon abgesehen, dass das leidige Kapitel der Französischen Revolution damit endgültig zugeschlagen wäre und der Krankheitsherd Frankreich aufhört, gesunde Staaten mit seiner unheilbringenden Revolutionsepidemie zu infizieren.«
    »Louis ist jetzt achtzehn Jahre alt und damit alt genug für den Thron«, ergänzte Sophie Botta. »Wenn er mit der rechten Paarung von Bescheidenheit und Entschlusskraft auftritt, wird ihn das Volk mit offenen Armen empfangen. Louis Dix-sept wird wieder für das Volk regieren und nicht, wie Bonaparte, für sich selbst.«
    »Und wo befindet sich der Dauphin jetzt?«, fragte Voigt.
    »Ah«, sagte die verschleierte Dame nur.
    Goethe nickte. »Ich ahne bereits, dass sich hinter diesem Ah der Grund verbirgt, weshalb wir hier sind. Wo also ist der Dauphin?«
    »Er segelte von Boston nach Hamburg«, erklärte sie. »Dort sollte er von preußischen Offizieren in Empfang genommen werden. Stattdessen wurde er aber von der französischen Polizei abgefangen und verschleppt. Sie erinnern sich, dass der Vicomte de Barras verantwortlich war für die Entführung Louis’ aus dem Temple? Nun, als er und Bonaparte noch nicht gebrochen hatten, vertraute er ihm das Geheimnis des Austauschs an. Seitdem ist Bonaparte so unerbittlich auf der Suche nach dem Thronfolger wie einst Herodes auf der Suche nach dem Jesuskind. Und wir müssen uns vorwerfen lassen, dass wir seinen Polizeiminister unterschätzt haben: Fouché hat Louis ausfindig gemacht, und seine Männer haben ihn nun in ihrer Gewalt.«
    »Allmählich verliere ich den Überblick.«
    Trotz des Schleiers konnte Goethe sehen, dass die Madame lächelte. »Nur Mut, Herr von Goethe, wir nähern uns dem Ende unsrer Ausführungen. Wie Sie sich denken können, ist Bonaparte daran interessiert, dass kein Mensch je von Louis’ Existenz erfährt. Sollte sich der junge Mann, der in Hamburg vom Schiff gegangen ist, als ein Schwindler herausstellen – und diese Vermutung liegt natürlich nahe –, wird Bonaparte ihn entweder als Schwindler einsperren oder schlicht aus dem Land jagen. Sollte es aber tatsächlich Louis Dix-sept sein … dann zweifeln wir nicht daran, dass ihn dieser Unmensch ebenso rasch und skrupellos aus dem Weg räumen wird wie jüngst den beklagenswerten Duc d’Enghien.«
    Carl August schob einige der Teetassen beiseite und schuf somit Platz für eine kleine Karte von Europa, die zuvor unter dem Tisch gelegen hatte. »Fouché hat mittlerweile die Suche angewiesen nach dem ehemaligen Kindermädchen von Louis-Charles, einer gewissen Madame de Rambaud. Sobald diese gefunden ist, werden sich Louis und sie auf halbem Wege zwischen Paris und Hamburg wiedersehen: in Mainz, der ersten Stadt auf französischem Territorium.«
    »Warum bringen sie ihn nicht gleich nach Paris?«
    »Wir nehmen an, aus Gründen der Geheimhaltung. In Paris ist die Gefahr zu groß, dass der Dauphin auch von andren Menschen erkannt wird. Deshalb bleibt er in Mainz. Die Rambaud soll noch im Laufe dieser Woche eintreffen – all dies natürlich in strengem Gewahrsam. Sie wird kommen, den Dauphin identifizieren, und dann wird Louis noch vor Ort und insgeheim hingerichtet. So ist der Stand der Dinge.«
    Goethe sah auf die Karte, die noch aus einer Zeit war, da das Heilige Römische Reich bis zur Saar reichte, nicht nur bis zum Rhein. »Und was ändern wir an diesem unschönen Stand der Dinge?«
    Sir William räusperte sich. Baron de Versay gab noch etwas Zucker in
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