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Das Erbe des Zauberers

Das Erbe des Zauberers

Titel: Das Erbe des Zauberers
Autoren: Terry Pratchett
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Schwerkraft: Er neigte sich nach vorn und klatschte ihr ins Gesicht.
    »Na schön«, sagte sie in einem Tonfall, der den Rest der Universität warnte.
    Draußen flackerte erneut ein Blitz, was beweist, daß auch die Wettergötter einen ausgeprägten Sinn für Dramatik besitzen.
    »Steht dir gut«, sagte Knallwinkel.
    »Entschuldigt bitte«, warf Treatle ein, »aber ist das nicht die H …«
    »Und wenn schon«, knurrte Knallwinkel. Er nahm Grannys Hand, führte sie die Treppe hoch und winkte mit dem Stab.
    »Aber es ist gegen die Tradition, eine H …«
    Treatle unterbrach sich und riß die Augen auf, als Oma Wetterwachs an die Wand herantrat und die Hände auf den feuchten Stein preßte. Knallwinkel klopfte ihn mit dem Zeigefinger auf die Brust.
    »Zeig mir, wo das geschrieben steht!«, knurrte er herausfordernd. »Sie befinden sich in der Bibliothek«, warf Granny ein.
    »Der einzige trockene Ort in der ganzen Universität«, erwiderte Treatle. »Aber …«
    »Dieses Gebäude fürchtet sich vor Gewittern«, stellte Granny fest. »Es könnte ein wenig Trost und Zuspruch gebrauchen.«
    »Aber die Tradition …«, begann Treatle mit wachsender Verzweiflung.
    Oma Wetterwachs marschierte bereits durch den Korridor, und Knallwinkel folgte ihr schnaufend. Nach einigen hastigen Schritten drehte er den Kopf.
    »Du hast die Dame gehört«, sagte er.
    Treatle sah ihnen verwirrt nach. Als ihre Schritte in der Ferne verklangen, blieb er einige Sekunden lang stumm stehen, dachte über das Leben an sich nach und überlegte, so seins aus den Fugen geraten war.
    Andererseits: Er wollte sich keinen Ungehorsam vorwerfen lassen.
    Vorsichtig und behutsam wandte er sich der Wand zu und fragte sich, wie man ein Gebäude tröstete. Nach einer Weile streckte er die Hand aus und streichelte die nasse Mauer.
    »Kopf hoch, ist doch gar nicht so schlimm!«, raunte er. Und seltsamerweise fühlte er sich sofort viel besser.
     
    Knallwinkel hielt es eigentlich für angemessen, daß er die Führung übernahm – immerhin war er der Universitätsdirektor. Aber wenn es Oma Wetterwachs eilig hatte, konnte es kein langjähriger Nikotinsüchtiger mit ihr aufnehmen. Um nicht den Anschluß zu verlieren, hüpfte der Erzkanzler wie eine Krabbe, die an einer Krustentier-Olympiade teilnahm und sich gerade im Weitsprung versuchte.
    »Hier entlang!«, brachte er schließlich hervor und platschte durch einige Pfützen.
    »Ich weiß. Das Gebäude hat mir den Weg gewiesen.«
    »In diesem Zusammenhang wollte ich dir gerade einige Fragen stellen«, sagte Knallwinkel. »Die Universität hat nie zu mir gesprochen, und ich lebe hier schon ziemlich lange.«
    »Hast du jemals versucht, ihre Stimme zu hören?«
    »Nun, äh, nein«, antwortete der Erzkanzler. »Nicht im eigentlichen Sinne.«
    »Was erwartest du denn?«
    Granny passierte einen Wasserfall, der dort rauschte, wo sich normalerweise die Treppe zur Waschküche befinden sollte. (In den nächsten Tagen würde es für Frau Reineweiß so viel Arbeit geben, daß sie bestimmt keine Zeit fand, sich mit ihrer TeeblätterZukunft zu befassen.) »Wir müssen durch den Flur dort oben, nicht wahr?«
    Oma Wetterwachs wartete keine Bestätigung ab und eilte an drei Zauberern vorbei. Sie waren ziemlich überrascht, als sie die Hexe sahen, und ihr Hut verblüffte sie noch mehr.
    Knallwinkel folgte ihr keuchend und hielt Granny am Arm fest, als sie die Tür der Bibliothek erreichten.
    »Hör mal«, sagte er drängend, »ich will dich nicht beleidigen, hochverehrte Frau Wetterwachs, äh, ich meine Fräulein Wetterwachs, aber …«
    »Ich glaube, Esmeralda genügt. Immerhin haben wir einen gemeinsamen Besenflug und allerlei Widrigkeiten hinter uns.«
    »Würdest du mir bitte den Vortritt überlassen?«, fragte Knallwinkel flehentlich. »Weißt du, es ist meine Bibliothek.«
    »Oh, natürlich. Entschuldige!«
    »Um den Schein zu wahren, verstehst du?«, fügte der Erzkanzler hinzu. Er drehte den Knauf.
    Dutzende von Zauberern hielten sich in dem Raum auf. Für Magier haben Bücher ungefähr die gleiche Bedeutung wie für Ameisen ihre Eier: Wenn es Schwierigkeiten gibt, tragen sie sie mit sich herum. Inzwischen hatte das Wasser auch einen Weg in die Bibliothek gefunden, und aufgrund der sonderbaren Gravitationsanomalien in diesem Zimmer bildete es gerade dort Pfützen und Lachen, wo man überhaupt nicht damit rechnete. Die unteren Regale waren leer. Zauberer und Schüler bildeten lange Schlangen, reichten sich dicke Bände und
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