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Das Erbe des Zauberers

Das Erbe des Zauberers

Titel: Das Erbe des Zauberers
Autoren: Terry Pratchett
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stapelten sie auf Tische. Das Rascheln wütender Blätter übertönte fast die heulende Stimme des Sturms.
    Der Bibliothekar schien vollkommen außer sich zu sein. Er sauste hin und her, zupfte immer wieder vergeblich an Ärmeln und gab ein gelegentliches ›Ugh‹ von sich.
    Als er Knallwinkel sah, drehte er sich um und hüpfte auf den Erzkanzler zu. Oma Wetterwachs hatte noch nie zuvor einen Orang-Utan gesehen, wollte sich das jedoch nicht anmerken lassen. Sie blieb ganz ruhig stehen und musterte ein Wesen, das sie für einen etwas ungewöhnlich geratenen spitzbäuchigen Mann hielt: Er hatte extrem lange Arme und eine Haut in der Herrengröße 54, obwohl das Konfektionsmaß 48 völlig ausreichend gewesen wäre.
     
    »Wahrscheinlich hast du recht«, erwiderte Knallwinkel und zog den nächsten Zauberer heran, der unter dem Gewicht von mehr als zehn magischen Werken taumelte. Der Mann starrte ihn entgeistert an, und als er Oma Wetterwachs sah, ließ er die Bücher fallen. Der Orang-Utan stöhnte grunzend.
    »Erzkanzler?«, entfuhr es dem Zauberer. »Du lebst? Ich meine … Es hieß, jemand habe dich weggehext …«
    Er musterte Granny. »Ich meine, wir dachten … Treatle sagte uns …«
    »Uuugh«, warf der Bibliothekar ein und schob einige widerstrebende Blätter zwischen die Buchdeckel zurück.
    »Wo sind der junge Simon und das Mädchen?«, fragte die Hexe. »Was habt ihr mit ihnen angestellt?«
    »Sie … Wir haben sie dort drüben untergebracht«, antwortete der Zauberer und wich zurück. »Äh …«
    »Führ uns hin!«, verlangte Knallwinkel. »Und hör endlich mit dem Stottern auf, Mann! Man könnte glauben, du seiest noch nie einer Frau begegnet.«
    Der Magier schluckte krampfhaft und nickte heftig. »Gewiß. Ich meine … bitte folgt mir …äh …«
    »Du wolltest doch nicht auf irgendwelche Traditionen hinweisen, oder?«, fragte Knallwinkel.
    »Äh … nein, Erzkanzler.«
    »Gut.«
    Der Zauberer geleitete sie durch die schmalen Gänge zwischen den Regalen und schob sich an seinen bücherschleppenden Kollegen vorbei, die von einem Augenblick zum anderen erstarrten, wenn sie Granny sahen.
    »Das alles ist mir sehr peinlich«, hauchte ihr Knallwinkel zu. »Ich sollte dich zu einem Ehrenzauberer ernennen.«
    Granny blickte starr geradeaus, und ihre Lippen bewegten sich kaum, als sie erwiderte:
    »Wenn du das wagst, ernenne ich dich zur Ehrenhexe.«
    Der Erzkanzler klappte den Mund zu.
    Sie betraten eins der Lesezimmer und traten an Simon und Eskarina heran, die auf einem Tisch lagen. Mehrere Zauberer standen daneben und gaben auf die beiden reglosen Gestalten acht. Sie wichen nervös zur Seite, als sich Oma Wetterwachs und ihr Gefolge näherten. Der Bibliothekar folgte ihnen watschelnd.
    »Ich habe mir überlegt …«, setzte Knallwinkel an. »Nun, vielleicht wäre es besser, Simon den Zauberstab zu geben. Er ist Zauberer und …«
    »Nur über meine Leiche«, sagte Granny fest. »Und auch deine. Sie beziehen die magische Energie durch ihn. Willst du ihnen vielleicht noch mehr geben?«
    Der Erzkanzler seufzte. Der Stab gefiel ihm sehr; es war einer der besten, die er je gesehen hatte.
    »Na schön. Du hast natürlich recht.«
    Er beugte sich vor, legte den Zauberstab auf die schlafende Eskarina und trat rasch einen Schritt zurück.
    Es blieb alles ruhig.
    Einer der anwesenden Magier hustete trocken. Die Ruhe setzte sich still fort.
    Die Schnitzmuster des Stabes schienen zu grinsen. »Es funktioniert nicht«, sagte Knallwinkel. »Oder?«
    »Ugh.«
    »Laß ihm etwas mehr Zeit«, meinte Oma Wetterwachs.
    Sie warteten. Draußen marschierte der Sturm übers Firmament und versuchte Häuser abzudecken.
    Granny nahm auf einem Stapel Bücher Platz und rieb sich die Augen. Knallwinkels Hände tasteten nach dem Tabaksbeutel. Der Magier mit dem trockenen Husten wurde von einem Kollegen aus dem Zimmer geführt.
    »Ugh«, sagte der Bibliothekar.
    »Ich hab’s!«, verkündete die alte Hexe plötzlich. Der Erzkanzler zuckte so heftig zusammen, daß ihm die halb gerollte Zigarette aus den nervösen Fingern fiel. Tabak rieselte zu Boden.
    »Was hast du?«
    »Es fehlt noch etwas.«
    »Was denn?«
    »Sie kann den Zauberstab gar nicht benutzen«, brummte Granny und stand auf.
    »Aber du hast doch gesagt, er fege für sie und gewähre ihr Schutz«, wandte Knallwinkel ein.
    »Neinneinnein.«
    Granny schüttelte den Kopf. »Der Zauberstab fegt nur, wenn er Lust dazu hat. Man könnte eher behaupten, er benutzt sie. Esk hat nie
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