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Das Erbe des Bösen

Das Erbe des Bösen

Titel: Das Erbe des Bösen
Autoren: dtv
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vollkommen unregelmäßig, die Atmung erschwert, die weiße Zone breitete sich Zentimeter für Zentimeter von den Fingern und den Füßen her aus, sehr schmerzhaft. Der Tod trat erst ein, als die Körpertemperatur auf 25,6   Grad gesunken war . . .«
    Rolf löste vorsichtig den Griff um Katharinas Hände, obwohl er sie lieber gewaltsam von sich geschleudert hätte und aus dem Zimmer marschiert wäre – ein letztes Mal. Aber Katharina klammerte sich an seine Arme und ließ ihn nicht aufstehen.
    »In der letzten Versuchswoche hatten wir zwei russische Kriegsgefangene, die nackt in das Eisbecken kamen . . .«
    Während sie sprach, kritzelte Katharina mit steifen Fingern etwas auf ein Stück Papier, das auf dem kleinen Tisch neben dem Sessel lag.
    »Normalerweise erfolgte die Bewusstlosigkeit innerhalb von einer Stunde, aber die beiden waren nach zwei Stunden noch bei Bewusstsein. Nach drei Stunden sagte der eine zum anderen:
Genosse, bitte den Offizier, uns zu erschießen
. Der andere erwiderte:
Erwarte von den faschistischen Hunden keine Gnade.
Das war schrecklich . . . Sich so etwas anhören zu müssen, wo man doch nur seine Arbeit machte.«
    Rolf sah auf den Zettel, auf den Katharina mit zittriger Hand geschrieben hatte: WIR WERDEN BELAUSCHT.
    »Danach gaben sich die Russen die Hand und verabschiedeten sich voneinander. Der Versuch ging noch zwei Stunden weiter, bis sie schließlich im Eisbecken starben . . . Sie wurden ins Schwabinger Krankenhaus zur Obduktion gebracht.«
    Rolf machte eine Kopfbewegung zu Katharinas Zettel hin und flüsterte: »Gestapo?«
    Katharina schüttelte den Kopf.
    Mit sanfter Gewalt befreite Rolf sich aus ihrem Griff und stand auf.
    |33| »Geh nicht . . . Wohin willst du?« Ihre Stimme war angespannt und heiser, ihr Gesichtsausdruck besorgt. »Zu Ingrid? Ist sie immer noch . . .«
    »Ich komme bald wieder.« Rolf ging zur Tür und drückte auf die Klinke. Es war abgeschlossen.
    Wieder klingelte das Handy in seiner Tasche. Katharina näherte sich ihm mit wackligen, tastenden Schritten. Rolf hämmerte mit der Faust gegen die Tür, dass es schmerzte.
    »Warum ist die Tür abgeschlossen?«, fragte er.
    »Sagte ich das nicht bereits? Sie ist immer abgesperrt, sie lassen mich nicht hinaus . . .«
    Rolf ging rasch zum Bett und drückte den Alarmknopf. Aber inzwischen hatte man auf sein Hämmern reagiert, und die Schwester von vorhin schloss die Tür auf. »Was ist hier los?«
    Erleichtert schlüpfte Rolf an ihr vorbei auf den Gang. Die Schwester machte die Tür hinter ihm zu.
    »Ist sie immer so?«, fragte Rolf außer Atem, mit zitternder Stimme. »Lebt sie nur noch in der Vergangenheit?«
    »Ich habe vor zwölf Jahren hier angefangen, und zumindest in dieser Zeit ist sie immer so gewesen. Ich dachte, Sie kennen ihren Zustand . . .«
    Rolf eilte zur Eingangshalle. Durch ein Fenster sah er draußen einen roten Audi-Kombi vorfahren.
    »Bekommt sie Besuch?«, fragte Rolf.
    »So gut wie nie. Nur in der letzten Zeit . . .« Rolf wollte nachfragen, aber sein Blick heftete sich auf den Mann, der draußen aus dem Wagen stieg.
    Hoffmann.
    »Der Mann dort«, wollte Rolf von der Schwester wissen, »haben Sie den schon mal gesehen?«
    Die Schwester blickte nach draußen. Ein zweiter Mann war aus dem Wagen gestiegen und schloss sich Hoffmann an. Sie gingen beide mit schnellen Schritten auf das Gebäude zu.
    »Ich weiß nicht«, sagte die Schwester unsicher. Seltsam unsicher. Log sie?
    |34| »Gibt es noch einen anderen Weg nach draußen als den Haupteingang?«
    Die Schwester sah Rolf verdutzt an. »Die Hintertür ist in der Küche«, sagte sie zögernd.
    »Bringen Sie mich hin.«
    Die Schwester wandte sich nach links und ging durch einen kahlen Speisesaal in die Küche. Dort saß vor den gekachelten Wänden eine junge Frau in weißem Kittel. Sie war blass und wirkte leicht stumpfsinnig. Als sie die Schwester sah, stand sie auf.
    Die Schwester schenkte ihr keine Beachtung, sondern öffnete Rolf die Tür zu einem kleinen Windfang.
    »Bitte erwähnen Sie niemandem gegenüber meinen Besuch«, sagte Rolf und verschwand, ohne eine Reaktion abzuwarten, nach draußen.
    Schwer keuchend eilte er auf den Laubwald hinter dem Gebäude zu.
    Doch da kam bereits der zweite Mann aus dem roten Audi um die Ecke, der jüngere und muskulösere.
    Rolf blieb stehen. Er wusste, er hatte keine Chance zu entkommen.
    Der Mann trat zu ihm und sagte auf Deutsch: »Kommen Sie mit zum Wagen, Herr Narva.«

|35| 4
    Allmählich machte Erik
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