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Das Erbe des Bösen

Das Erbe des Bösen

Titel: Das Erbe des Bösen
Autoren: dtv
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vorgestanden.
    Das Taxi fuhr auf einen von gewaltigen Buchen beschatteten Vorplatz mit großer Rasenfläche. Leichter Sprühregen fiel aus den Wolken, der Ort wirkte wie von der übrigen Welt vergessen. Das Pflegeheim war in einem mehrfach verzweigten Backsteinhaus aus dem 19.   Jahrhundert untergebracht, an dessen Wänden wilder Wein emporrankte. Ein kastenförmiger Anbau war mit karoförmigen Eternitplatten verkleidet, die bereits schwarz geworden waren und Moos angesetzt hatten.
    Was für eine Katharina würde er hier vorfinden, fragte sich Rolf. Seine Stimmung verdunkelte sich zunehmend. Und wer war dieser Hoffmann? Sollte er auf die Begegnung mit Katharina besser verzichten und nach Hause verschwinden? Natürlich nicht. Katharina sollte ihm selbst erklären, was das alles zu bedeuten hatte.
    Rolf zahlte und stieg aus dem Taxi. Am Rande des Geländes waren zwei Kleinwagen in schlechtem Zustand sowie ein Porsche aus den Sechzigerjahren geparkt, auf dem Rolfs Blick einen Moment verweilte. Seinerzeit in Amerika hatte er mit dem Gedanken gespielt, sich so einen anzuschaffen, aber schließlich wollte er doch kein deutsches Auto und begnügte sich mit einer Corvette. Damals war er wohlhabend gewesen – ein Mann in seinen besten Jahren auf der Höhe seiner Karriere bei der NASA.   Die ganze Familie hätte in der Corvette keinen Platz gehabt, aber nach der Scheidung hatte viele Jahre lang nur Erik mit ihm im Wagen |26| gesessen. Wenn er seinen Sohn zu Ingrid brachte, dauerte die Fahrt von Cape Canaveral nach Miami auf den breiten, trockenen Straßen Floridas oft weniger als drei Stunden.
    Rolf ging auf den Haupteingang zu. Die Anspannung ließ ihm den Schweiß auf die Stirn treten, und in den Schläfen kündigte sich pochend ein Kopfschmerz an. Er hatte Katharina vor fünfzig Jahren zuletzt gesehen, doch daran mochte er jetzt nicht denken. Sie hatten beide schwere Fehler gemacht in ihrem Leben – aber sollte es nicht trotzdem möglich sein, sich nach allem endlich auszusöhnen?
    Der Brief, den Katharina ihm vor einem Monat geschickt hatte, war eine vollkommene Überraschung für ihn gewesen. Wenige nüchterne Zeilen, der Wunsch, ihn zu sehen. Zunächst hatte er beschlossen, nicht zu antworten, aber irgendetwas ließ ihn nicht ruhen. Man konnte die Dinge nicht ungeklärt lassen, nicht jetzt, da die Gelegenheit bestand, noch einmal miteinander zu reden. Und so hatte er Katharinas Wunsch entsprochen und einem Treffen zugestimmt, wenn auch zögernd.
    Rolf stieg die Eingangstreppe hinauf. In einem Blumenkübel am Rand wuchs das Unkraut meterhoch.
    Rolf drückte den Klingelknopf aus Keramik. Er wartete kurz, dann klingelte er noch mal, diesmal länger. Nichts tat sich. Er versuchte, durch das Türfenster hinter dem schmiedeeisernen Gitter hineinzuspähen, aber er sah nur sein eigenes, zerfurchtes Gesicht im schwarzen Glas.
    Plötzlich fuhr er zusammen. Auf der anderen Seite der Tür war nun doch jemand zu erkennen, unmittelbar vor ihm: eine Frau in weißem Kittel, die Hände in die Hüften gestemmt, reglos.
    Unwillkürlich wich Rolf einen Schritt zurück. Er überlegte eine Sekunde, was er tun sollte, und beschloss, noch einmal zu läuten.
    Erst da drehte sich der Schlüssel im Schloss und die Tür ging einen Spaltbreit auf. Die ältere Frau in der Schwesterntracht war zu stark geschminkt und übermäßig gebräunt.
    |27| »Was wollen Sie?«, fragten ihre schmalen Lippen, deren Konturen sie exakt nachgezogen hatte.
    »Ich bin gekommen, um Katharina Kleve zu besuchen.«
    Der Blick der Schwester bohrte sich in Rolfs Augen. »Frau Kleve?«
    »Ja. Vielleicht trägt sie auch den Namen ihres früheren Mannes . . . Plögger.«
    »Nein, ich weiß, wer Frau Kleve ist.«
    Widerwillig trat die Frau zur Seite und ließ Rolf in eine kühle, halbdunkle Vorhalle ein, an deren Ende eine breite Treppe nach oben führte. Auf beiden Seiten der Treppe stand eine außergewöhnliche, kleine Skulptur, eine Mischung aus Engel und Teufel. Rolf registrierte den neugierigen, reservierten Blick der Frau, antwortete aber nicht auf ihre unausgesprochene Frage. »Hier entlang.« Die Schwester ging voran, der große Schlüsselbund in ihrer Hand klimperte. Vor einer hohen Flügeltür blieb sie stehen und öffnete. Rechts und links eines kurzen, schwach beleuchteten Ganges sah man Türen voller Dellen und Schrammen. Rolf hatte den Geruch eines starken Reinigungsmittels in der Nase. Schritt für Schritt wurde er unruhiger.
    Unter das Geräusch der Schritte
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