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Das Erbe des Alchimisten

Das Erbe des Alchimisten

Titel: Das Erbe des Alchimisten
Autoren: Christopher Pike
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willst?« Ich zögere. »Stimmt das etwa nicht?«
»Deine Frage hat keine Bedeutung für mich.«
Ich mache einen weiteren Schritt nach vorn. Jetzt ist sie nur noch zwölf Fuß von mir entfernt, aber ich will ihr noch näher kommen. »Was ist so besonders an diesem Kind?« frage ich. »Das könntest du mir wenigstens sagen.«
»Nein.«
»Warum nicht?«
Sie wirkt amüsiert. »Weil es verboten ist.«
»Oh, und es ist nicht verboten, unschuldige Menschen zu töten? Abgesehen davon: von wem verboten?«
»Das würdest du nicht verstehen.« Sie verstummt. »Wo ist Ray?« fragt sie dann.
Ich erstarre in der Bewegung. »Er ist von uns gegangen.«,
Sie scheint zu verstehen. »Er war verboten.« Sie schaut Seymour an, lächelt, und einen Augenblick lang scheint sie nur ein hübsches Mädchen zu sein, das mit einem Jungen flirtet. Aber ihre Worte zerstören diese Illusion sofort wieder, denn sie klingen wie eine Warnung. Sie sagt: »Manche Dinge, die zerbrochen sind, sollte man nicht wieder zu reparieren versuchen.«
Die Entscheidung wird mir abgenommen, denn etwas in ihrem Tonfall sagt mir, daß sie gleich nach Seymour greifen – und sein Kopf dem der Taube folgen wird. Sie wird ihn mit der gleichen emotionalen Beteiligung töten wie den Vogel, das weiß ich. Ich greife an.
Meine wiedererlangten vampirischen Kräfte sind nichts Neues für mich. Ich brauche keine Zeit, um mich erneut daran zu gewöhnen. Alles ist absolut natürlich – so natürlich, wie es früher war. Aber ich entscheide mich ganz bewußt für eine sehr alte Tötungstechnik: Ich werde das Nasenbein ins Gehirn schieben. Es ist eine sehr effektive Methode, geradeheraus, ohne Umwege. Während ich meine Muskeln anspanne, um anzugreifen, belastet mich nur eines: Ich liebe Kalika immer noch.
Kalika streckt den rechten Arm aus.
Ich springe hoch in die Luft und nach vorn. Es macht mir keine Mühe, mich vom Boden abzuheben. In einem Film würde es so wirken, als habe die Schwerkraft keinen Einfluß auf mich. Natürlich stimmt das nicht; ich kann nicht fliegen. Der Grund für die Leichtigkeit meiner Bewegung liegt in meiner Stärke. Ich schwinge mich auf Kalika zu, mein rechter Fuß schnellt vor. Bald wird alles vorbei sein.
Aber mitten in der Bewegung zögere ich. Nur ein kleines bißchen.
Vielleicht hat es keine Bedeutung, vielleicht doch. Ich werde es niemals erfahren.
Die roten Flammen in Kalikas Augen funkeln heftiger als zuvor.
Im nächsten Sekundenbruchteil, noch bevor ich damit ihr Gesicht erreiche, greift Kalika meinen Fuß. Die Zeitlupe ist vorüber, ich sehe alles wieder in normaler Geschwindigkeit, und ich erkenne, wie ich stürze – hilflos, ohne etwas tun zu können. Der Griff, mit dem sie meinen Fuß hält, ist fest wie ein Schraubstock. Seymour schreit entsetzt auf, und auch ich schreie: vor Schmerzen. Sie hat meinen Knöchel so stark verdreht, daß er beinah bricht. Ich stürze mit dem Rücken zu Boden und pralle mit dem Hinterkopf auf. Kalika ist über mir, und sie hält immer noch meinen Fuß. Der Ausdruck in ihrem Gesicht ist merkwürdig sanft.
»Tut es weh?« fragt sie.
Ich schneide eine Grimasse. »Ja.«
Kalika bricht mir den Knöchel. Ich höre den Knochen bersten wie morsches Feuerholz, und eine Welle fast unerträglichen Schmerzes schwappt mein Bein hinauf, durch meinen Körper in meinen Kopf. Während ich mich auf dem Boden krümme, tritt sie einen Schritt zurück und beobachtet mich geduldig. Dabei bleibt sie weiterhin in Seymours Nähe. Sie kennt Vampire. Der Schmerz ist entsetzlich, aber es dauert nicht lange, bevor die Wunde zu heilen beginnt. Der Effekt von Yakshas Blut in meinem Körper beschleunigt den Prozeß ohne Zweifel noch. Zwei Minuten später kann ich wieder stehen und mein Gewicht auf den eben noch gebrochenen Knöchel verlagern. Aber während der nächsten Minuten werde ich nicht versuchen, sie im Sprung anzugreifen, und das weiß sie genau.
Kalika ergreift Seymours linken Arm.
Sein Mund öffnet sich in maßlosem Entsetzen.
»Ich werde dich nicht noch einmal nach dem fragen, was ich wissen will«, sagt sie.
Ich bemühe mich, aufrecht zu stehen. Meine Stimme klingt dreist, als ich jetzt rede. »Weißt du, was mich an dir am meisten stört? Du versteckst dich stets hinter einem menschlichen Schild. Ich bin hier, und du bist hier. Warum machen wir die Sache nicht zwischen uns beiden aus? Das heißt, wenn du die Nerven dazu hast.«
Die Veränderung in meiner Haltung scheint Kalika zu gefallen. Sie lächelt, und dieses Lächeln
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