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Das Erbe des Alchimisten

Das Erbe des Alchimisten

Titel: Das Erbe des Alchimisten
Autoren: Christopher Pike
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erscheint mir echt. Aber ich bezweifle, daß es richtig war, sie in diese Hochstimmung zu versetzen, denn plötzlich packt sie Seymour an seinem Shirt, hebt ihn in die Luft und schmeißt ihn einhändig über das Geländer des Piers. Diese Aktion kommt so plötzlich, daß ich eine Sekunde lang dastehe wie erstarrt. Ich stürze zum Geländer und sehe, wie Seymour im Wasser kämpft. Sie hat ihn hoch in die Luft geschmissen, und er braucht lange, um wieder an die Oberfläche zu kommen. Er keucht, als es ihm schließlich mühevoll gelingt, und er wird von den Wellen hin und her gepeitscht, aber er scheint in Ordnung zu sein. Ich hoffe, daß er wenigstens schwimmen kann.
»Seymour!« rufe ich.
Er antwortet irgend etwas Unverständliches, aber es beruhigt mich zumindest ein bißchen.
Kalika tritt neben mich. »Der Junge hat Humor«, sagt sie.
»Danke, daß du ihm nichts getan hast.« Der Pier ist lang und das Wasser eisig kalt, aber ich hoffe, daß er es bis zum Ufer schaffen wird. »Danke, daß du ihm zumindest eine Chance gegeben hast«, korrigiere ich mich.
»Dankbarkeit bedeutet mir nichts«, entgegnet sie.
»Was hat denn eine Bedeutung für dich?« will ich wissen.
»Die Essenz der Dinge. Die Essenz urteilt nicht. Sie ist weder beeindruckt von dem, was wir tun, noch von dem, was wir nicht tun.« Sie zuckt mit den Schultern. »Sie ist einfach, genau wie ich.«
»Ich kann dir nicht sagen, wo das Baby ist. Ich habe Paula gebeten, mir nicht zu verraten, wohin sie geht. Sie könnten mittlerweile in Kanada sein oder in Mexiko.«
Kalika zeigt sich unbeeindruckt von meiner Enthüllung. »Ich weiß, daß du mir etwas verschweigst. Es hat etwas damit zu tun, wie du zukünftig in Kontakt zu Paula und dem Kind treten wirst. Außer dem, was du mir gerade gesagt hast, hast du Paula noch zu etwas anderem aufgefordert. Was ist das?«
»Da war nichts mehr.«
»Du lügst«, entgegnet sie.
»Na gut, dann lüge ich, aber was willst du dagegen tun? Ich werde dir nichts sagen. Du wirst diese Information, die du brauchst, nicht von mir bekommen – auch wenn du mich tötest.« Ich zögere. »Aber ich kann mir selbst von dir nicht vorstellen, daß du es fertigbringen würdest, deine eigene Mutter zu töten.«
Sie streckt den Arm aus und berührt mit ihrer blutigen Hand mein langes blondes Haar. »Du bist sehr schön, Sita. Du hast lange Zeit gelebt. Du hast viele Menschen zum Narren gehalten, Menschen aller Nationalitäten, in allen Zeitaltern, Männer sowie Frauen. Du hast sogar deinen Erschaffer hereingelegt und ihn dazu gebracht, dich von dem Schwur zu erlösen, den er selbst Krishna geleistet hat.«
»Ich habe Yaksha nicht hereingelegt, ich habe ihn gerettet.«
Sie spielt noch immer mit meinem Haar. »Nenn es, wie du willst, Mutter. Du bist von dem überzeugt, was du weißt und was du erinnerst. Aber meine Erinnerungen sind älter, sehr viel älter, und ich habe andere Möglichkeiten, dich zu überreden, als dir nur mit dem Tod zu drohen. Du solltest mittlerweile begriffen haben, daß ich kein einfacher Vampir bin.«
»Was bist du dann?«
Sie greift mir unters Kinn. »Sieh mir in die Augen, und du wirst es erkennen.«
»Nein, warte!«
»Sieh hin, Mutter.« Sie dreht meinen Kopf herum und erhascht meinen Blick. Ich habe keine Möglichkeit wegzusehen. Es ist wie ein Zwang. Das Blauschwarz ihrer Augen hat die Wirkung eines Soges, die unerschöpfliche Kraft der Saat, aus der einst das Universum entstand. Die Stärke, die von ihnen ausgeht, ist geradezu kosmisch. Sie glänzen in allen Farbnuancen dieser Welt. Es sind wunderschöne Augen, die Augen eines unschuldigen Mädchens, und während ich sie anschaue, verliebe ich mich aufs neue in sie. Aus weiter Ferne höre ich die Stimme meiner Tochter, und es ist eine Stimme, die mich an Donnerhall erinnert wie auch an das leise Seufzen eines Babys, das auf meinem Schoß einschläft.
»Sieh dein Kind an«, sagt sie.
Ich sehe sie an, ich habe keine andere Wahl.
Ich sehe Planeten, Sterne, Galaxien, ich sehe Unendlichkeit. Doch hinter ihnen allen, hinter dem Rückgrat des Himmels, wie es in den Vedas genannt wird, brennt das Todesfeuer. Dort sitzt Mutter Kali mit ihrem Lord Kala, der die Zeit selbst zerstört. Während die Planeten einer nach dem anderen sterben und die Sonnen sich der Reihe nach in rötliche Zwerge verwandeln, beginnen die Feuer zu brennen, die das Ende der Schöpfung ankündigen. Die Flammen züngeln nach den Asteroiden und schmelzen die Kometen. Und dort, im endlosen Raum, sammelt
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