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Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin

Titel: Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin
Autoren: Monika Felten
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Dunkel und bedrohlich, wie ein düsteres Mahnmal des Schrecklichen, ragte er vor den beiden Frauen auf. Unmittelbar vor dem Stamm ließ sie Ajana los und legte ihre geöffneten Handflächen noch einmal sanft auf die raue Rinde. »Und nun du!«, forderte sie Ajana auf.
    Zögernd hob Ajana die Hände und tat wie ihr geheißen. Die Rinde fühlte sich warm an, fast so wie ein dickes Stück Holz aus einer erloschenen Feuerstelle. Doch etwas war anders. Rings um den Stamm war die Rinde des Ulvars so ebenmäßig wie geschliffenes Glas. Unter ihren tastenden Fingerspitzen fühlte Ajana nicht die kleinste Unebenheit oder gar eine Kerbe. Ganz unvermittelt kam ihr der Gedanke, dass sich der Baum in einen Schutzpanzer gehüllt haben könnte. Sie warf einen erstaunten Blick zu Inahwen hinüber.
    Die Elbin beobachtete sie aufmerksam. »Was fühlst du?«, fragte sie.
    »Es … es fühlt sich an, als trüge der Stamm einen Mantel.« Ajana war sich nicht sicher, ob sie die richtigen Worte fand, um ihre Empfindungen zu beschreiben, und fügte hinzu: »Als hätte er einen Panzer angelegt, um …«
    »… sich vor dem Feuer zu schützen.« Inahwen nickte und lächelte. »Purkabäume besitzen eine erstaunliche Gabe«, erklärte sie. »Sie stammen aus der Steppe, einer Landschaft, in der häufig verheerende Feuersbrünste wüten. Um zu überleben, speichern sie einen Saft unter ihrer Rinde, der bei großer Hitze ausgeschieden wird. Nur so konnten sie in der Steppe überdauern.«
    »Aber der Baum ist tot!« In einer hilflosen Geste deutete Ajana auf die unzähligen verkohlten Äste über ihrem Kopf. Nur die dicksten von ihnen waren noch erhalten, doch auch sie waren der schützenden Rinde beraubt und wiesen wie geschwärzte Knochen in den Himmel. Die dünneren Äste und Zweige hingegen waren unter der Hitze des Feuers zu Asche zerfallen.
    »Du hältst ihn wirklich für tot?«, fragte Inahwen. »Bedenke, dass es nicht immer unsere Augen sind, die uns die Wahrheit erkennen lassen.« Sie schloss die Lider und verharrte schweigend, dann sagte sie: »Der Ulvars ist nicht tot. Seine Kraft ist gebrochen, doch tief in seinem Innern spüre ich noch immer den Keim des Lebens.« Sie öffnete die Augen und richtete den Blick in die Ferne. »Wenn die Sonne den Winter vertreibt, wird der Stamm neue Triebe hervorbringen«, prophezeite sie mit samtener Stimme. »Aus der Asche wird neues Leben entstehen, und die Kraft wird in den Ulvars zurückkehren. Das Schicksal erlegt dir eine weitere Härte auf, doch nicht für immer, nur für eine kurze Weile. Wenn die Sonne am höchsten steht und die Nacht nicht länger währt als ein Wimpernschlag, werden wir hierher zurückkehren. Dann, dessen sei gewiss, werden die Kräfte des Ulvars neu erstarkt und dir wohlgesonnen sein. Mit Raidos Hilfe wird dir der Heimweg gelingen.«
    Noch acht Monate! Nur allmählich gelang es Ajana, Inahwens Worte in ihre Zeitrechnung zu fassen. Acht Monate! Mehr als doppelt so lange, wie sie bereits in Nymath weilte …
    Angesichts der überraschenden Wendung war sie nicht sicher, ob sie traurig oder glücklich sein sollte. Acht Monate waren eine lange Zeit, doch acht Monate bedeuteten auch Zuversicht und nicht die Endgültigkeit eines »Nie mehr«.
    Ajana seufzte. Obwohl ihr der Abschied von Keelin schwer gefallen wäre, war sie bereit gewesen zu gehen.
    Doch das Schicksal hatte anders entschieden.
    Langsam wandte sie sich um und sah den jungen Falkner an. Horus war gekommen und auf seiner Schulter gelandet, doch Keelin hatte nur Augen für sie. Er wirkte unsicher, dennoch erwiderte er ihren Blick mit einer Wärme und Zuneigung, die sie erröten ließen.
    Und plötzlich erschien ihr der Gedanke, noch eine Zeit lang in Nymath bleiben zu müssen, gar nicht mehr so unerträglich.

 
     
    Anhang

 
     
    Glossar
     
     
    Abbas: Küchenjunge vom Blute der —> Wunand, —> Keelins bester Freund
    Ajabani: Bund der Meuchelmörder —> Andaurien
    Ajana Evans: junge Deutsche, die ein geheimnisvolles Amulett erbt
    Andaurien: Land im Norden der Wüste, aus dem die Menschen nach —> Nymath geflohen sind
    Arnad: Fluss, dessen Quell im unpassierbaren —> Pandarasgebirge entspringt
    Asnar: Gott der ruhenden Macht, des Krieges und der Verteidigung, Bruder von —> Callugar, verehrt von den —> Katauren
    Asnarklinge: rituelles, geflammtes Richtschwert der —> Katauren —> Bayard ist der Einzige, der damit kämpft
    Ätzung: frisches Fleisch, mit dem der Falke gefüttert wird
    Bactibusch: Busch mit
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