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Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin

Titel: Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin
Autoren: Monika Felten
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blendete sie. Sie hob den Arm und beschattete ihre Augen. Das Zupfen hielt kurz inne, setzte dann aber sofort wieder ein. Ajana wandte den Kopf. Sie lag am Boden. Die Gewänder klebten ihr schwer am Körper. Auch ihre Haare waren nass und voller Sand.
    Aus den Augenwinkeln bemerkte sie eine Bewegung und erkannte nicht weit entfernt die fast schon vertraute Gestalt des Mannes mit dem dunklen Umhang und dem großen Hut. Doch diesmal war er nicht allein. Neben ihm stand eine junge Frau mit langem, pechschwarzem Haar. Sie lächelte. Ajana hatte das Gefühl, dass sie die Frau schon einmal gesehen haben musste, konnte sich jedoch nicht daran erinnern, wo es gewesen sein mochte. Doch das Wann war auch nicht wichtig. Was zählte, war die tiefe Erkenntnis, dass beide ihre Freunde waren.
    Ajana blinzelte ins grelle Sonnenlicht. Die beiden waren nicht mehr zu sehen. Aber sie spürte, dass sie dennoch nicht allein war. Ein kleiner Schatten saß neben ihr auf dem Boden und zupfte liebevoll verspielt an einer ihrer Haarsträhnen.
    Horus? Es dauerte eine Weile, bis Ajana den Sinn des Namens begriff »Horus«, flüsterte sie mit rauer Kehle und lächelte gerührt. Wie oft hatte sie Keelin um die zärtliche Zuwendung des Falken beneidet, und nun … »Horus!«, sagte sie noch einmal, und wie zur Antwort hörte sie jemanden sagen: »Ajana!«
    Dann stand Keelin vor ihr, fiel auf die Knie und schloss sie in die Arme. Er war so nass wie sie selbst, und sie fragte sich, wo sie mitten in der Steppe hatten baden können. Doch die Antwort darauf hatte Zeit. Er war da, das allein zählte, und sie klammerte sich an ihn, als hätte sie ihn nach langer Zeit der Einsamkeit endlich wieder gefunden.

 
     
    Epilog
     
     
    Im erlöschenden Licht des Abends erreichten Ajana, Keelin und Inahwen den Ulvars – und fanden ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt.
    Das Bild, das Horus am Morgen an Keelin übermittelt hatte, war keineswegs übertrieben gewesen. Der Ulvars war verbrannt.
    Vor dem Hintergrund eines feurigen Abendrots reckte sich das schwarze Skelett des gespaltenen Purkabaums wie eine riesige, vielfingrige Knochenhand dem Himmel entgegen; ein gleichermaßen schauerlicher wie niederschmetternder Anblick, der Ajana und ihre Begleiter jäh im Sattel verharren ließ. Fassungslos starrten sie auf das, was das Wüten der Feuerkrieger von dem Baum der Hoffnung übrig gelassen hatte. Die verkohlten Überreste der borkigen Purkarinde glänzten wie poliertes Eisen, und die Asche der verbrannten Blätter bedeckte die Erde rings um den gewaltigen Stamm gleichsam als schmutzig grauer Teppich, der sich wie ein Bahrtuch über das vom Feuer entstellte Erdreich breitete.
    Ajana spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Den ganzen langen Ritt vom Pandarasgebirge bis zum Hügel des Ulvars hatte sie gehofft und gebetet, dass es nicht wahr sein möge, dass Vhara ihr nur hatte Angst machen wollen, um sie zu entmutigen, und auch, dass der Falke sich irrte. Doch nun …
    Ich kann nicht zurück!
    Die Worte schnitten wie ein Messer in Ajanas Bewusstsein und legten sich wie ein eiserner Ring um ihre Brust.
    Nie mehr!
    Ajana hatte plötzlich das Gefühl, kaum Luft zu bekommen. Tränen verschleierten ihren Blick. Nur verschwommen nahm sie wahr, wie Inahwen vom Pferd stieg und durch die lockere Asche auf den geschundenen Baum zuschritt.
    Sinnlos! Alles war so sinnlos! Ajana tat einen seufzenden Atemzug. Der Ulvars war tot. Niemals mehr würde sich knospendes Grün an seinen Zweigen zeigen, niemals mehr würde ein Vogel sein Nest im dichten Blätterdach bauen, und niemals mehr würde sich in seinem Schatten eine Nebelsängerin auf die Heimreise machen.
    Niemals mehr!
    Ajana schlug die Hände vor das Gesicht, als die Erinnerungen an das, was sie auf ewig verloren hatte, mit der Gewalt eines Wintersturms über sie hereinbrachen: das Gesicht ihrer Mutter, die lachend einen Brief hoch hielt. Ihr Vater, der mit einem alten Pappkarton in der Hand die Treppe herunterkam, Rowens dunkler Haarschopf hinter der frühlingsgrünen Buchenhecke, ihr Elternhaus im Sonnenschein …
    »Wir werden einen anderen Weg finden!« Inmitten des Kummers spürte sie, wie Keelin ihr tröstend die Hand auf den Arm legte. Er hatte seinen Schimmel dicht neben ihre braune Stute geführt und schaute sie voller Mitgefühl an. »Und wenn wir bis nach Andaurien reiten müssen, wir werden einen Weg finden«, schwor er feierlich.
    Ajana nickte stumm. Sie wünschte, sie könnte Keelins Zuversicht
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