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Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin

Titel: Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin
Autoren: Monika Felten
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teilen, doch sie fühlte sich leer und ausgelaugt, wie jemand, dessen Leben urplötzlich allen Sinn verloren hatte. All ihr Hoffen, all ihr Sehnen war vergebens gewesen. Die Zukunft, die ihr noch am Pass so klar und unerschütterlich vor Augen gestanden hatte, erschien ihr plötzlich unerreichbar, während in ihren Gedanken unaufhörlich zwei Worte kreisten: Nie mehr!
    »Komm!« Keelin ergriff ihre Hand und bedeutete ihr, vom Pferd zu steigen.
    Wozu? Die Frage flammte hinter Ajanas Stirn auf, kam ihr aber nicht über die Lippen. Mit hölzernen Bewegungen stieg sie aus dem Sattel und folgte dem jungen Falkner widerspruchslos, der tröstend den Arm um sie legte und sie über den Teppich aus Asche behutsam auf den Ulvars zuführte.
    Ein Windzug trug Ajana den Geruch nach verbranntem Holz und feuchtkalter Asche zu. Und obwohl die Luft empfindlich kühl war, glaubte sie noch immer die Wärme des erhitzten Bodens durch die dünnen Sohlen ihrer Stiefel zu spüren.
    Als sie nach unten schaute, bemerkte sie, dass ihre hellbraunen Stiefel von einer schmutzig grauen Schicht bedeckt waren. Die düstere Stimmung, die die Überreste der Blätter und der verkohlte Baum ausstrahlten, spiegelte ihre eigene innere Verfassung wider: mutlos und ohne jede Aussicht, in der Asche der verlorenen Hoffnung noch einen Funken Zuversicht zu finden.
    Als Keelin sie um den gewaltigen Stamm herumführte, entdeckte sie Inahwen. Die Augen geschlossen, die Hände auf der von der Hitze entstellten Rinde ruhend, stand die Elbin vor dem verbrannten Baum, als halte sie mit ihm eine stumme Zwiesprache.
    »Was …«, hob Ajana flüsternd an. Doch Keelin legte mahnend den Zeigefinger auf die Lippen und schüttelte den Kopf.
    Ajana verstand.
    Schweigend verharrte sie neben Keelin und wartete darauf, dass Inahwen das seltsame Ritual beendete.
    Endlose Atemzüge verstrichen. Sie wurden nur von dem leisen Rauschen des Windes begleitet, der sanft über das spätherbstlich gefärbte Hügelland strich, während die Sonne den Himmel im Westen noch einmal in strahlendem Rot erglühen ließ und ein erster Stern im Osten den Beginn der Nacht ankündigte.
    Schließlich löste Inahwen die Hände von dem Purkabaum und kam langsam auf Ajana zu. »Schreckliche Wunden sind es, welche die Diener des Bösen dem Ulvars zufügten«, erklärte sie mit von tiefer Verbitterung gezeichneter Stimme. »So vieles ist tot, so vieles auf ewig zerstört.« Sie ergriff Ajanas kühle Hände und blickte sie ernst an. »An diesem Ort und an diesem Abend wird dir die Heimreise nicht gelingen«, fuhr sie voller Mitgefühl fort. »Und wenn es uns auch noch so grausam erscheinen mag, was das Schicksal dir aufbürdet, so dürfen wir doch nicht verzagen.«
    »Nicht verzagen?«, warf Keelin aufgebracht ein. »Wie oft hat Ajana diese Worte schon gehört? Wie oft hat sie nicht verzagt, in der Hoffnung, dass am Ende alles gut wird? Und wozu? Wozu hat sie all die Prüfungen auf sich genommen? Um letztendlich zu erfahren, dass sich das Schicksal mit ihr nur einen grausamen Scherz erlaubt hat?« Er vollführte mit der Hand eine hilflose Geste. Doch dann besann er sich und sah Ajana liebevoll von der Seite her an. »Gilian weiß, wie sehr ich dich liebe«, sagte er, nun wieder voller Sanftmut. »Und du weißt, dass ich mir nichts sehnlicher wünsche, als dich für immer an meiner Seite zu wissen. Der Anblick des verbrannten Ulvars könnte mich glücklich stimmen und mich glauben lassen, das Schicksal habe uns füreinander bestimmt.« Er seufzte tief und schüttelte den Kopf. »Aber dem ist nicht so. Mein Herz fühlt deinen Kummer, als wäre es der meine. Ungeachtet meiner Gefühle verstehe und achte ich deinen Wunsch, in deine Heimat zurückzukehren, und ich wünschte, es gäbe einen Weg. Nach all dem, was du für Nymath getan hast, hast du dieses Schicksal wahrlich nicht verdient.«
    Ajana sah ihn an und lächelte. Es war ein dünnes, trauriges Lächeln, doch es war voller Zuneigung. »Ich danke dir«, sagte sie leise. Dann senkte sie den Blick und fügte niedergeschlagen hinzu: »Aber weder Worte noch Zorn werden etwas daran ändern können – es ist vorbei!«
    »Du irrst dich.« Inahwen lächelte wissend. »Schreckliches wurde dem Ulvars angetan, aber es ist nicht vorbei.«
    »Nicht vorbei?« Mit dem Handrücken wischte sich Ajana eine Träne von der Wange und schaute die Elbin mit großen Augen an. »Was meint Ihr damit?«
    »Folge mir und sieh selbst!« Inahwen führte Ajana zu dem verbrannten Baum.
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