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Das Engelsgrab

Das Engelsgrab

Titel: Das Engelsgrab
Autoren: Jason Dark
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Belial, sie dachte auch nicht mehr an den Pfeil, der in ihrem Rücken steckte. Auch die stechenden Schmerzen waren auf wundersame Art und Weise verschwunden.
    Claudine fühlte sich leicht und wie abgehoben, obgleich sie noch den Kontakt mit dem Boden des Friedhofs hielt. Claudine erlebte kurz vor ihrem Tod noch ein Wunder. Sie konnte es sehen, es näherte sich ihr immer stärker, und es hüllte sie einfach ein. Es war ja nicht allein das Licht, das ihr diese Hoffnung gab. Es war vor allem das, was sie in diesem Kranz sah und woraus sich der helle Schein zusammensetzte.
    Gestalten aus Licht. Boten einer anderen Welt. Engel!
    Sie waren gekommen, sie umstanden sie mit ihrem wunderbaren Schein, und sie hießen sie am Tor zu ihrer Welt willkommen. Claudine hatte nie zuvor eine derartige Wärme erlebt, die mit einer normalen nicht verglichen werden konnte. Es war eine Wärme, die aus der anderen Welt stammte. Sie strömte von den Engeln aus auf Claudine über, als wollte sie ihr das Sterben erleichtern.
    Die Frau wusste, dass es keine Rettung mehr für sie gab. Ihr Leben hatte nur fünfundzwanzig Jahre gedauert. Sie war viel zu jung, um schon sterben zu müssen, aber der Übergang in den Tod wurde ihr leicht gemacht. Es war dieses Hineinschweben, der Vorstoß in die andere Sphäre, und die zahlreichen Engel warteten bereits sehnsuchtsvoll auf sie, denn sie streckten ihr die Hände entgegen.
    »Ja, ich komme«, sagte Claudine leise. Zumindest glaubte sie, gesprochen zu haben, doch es waren nur ihre Gedanken, die sie ähnlich wie Worte formuliert hatte. Letzte Gedanken, denn etwas floss auf sie zu. Das Licht erstrahlte noch heller. Es war einfach wunderbar und nicht zu beschreiben. Es kam über sie wie eine mächtige Glocke, und plötzlich spürte sie es überall an ihrem Körper.
    Noch einmal zuckte ihr Rücken. Dann lag Claudine still. Doch sie war mit einem hoffnungsvollen Lächeln auf den Lippen gestorben…
    ***
    Neben der toten Frau stand Toby Cramer.
    Er hatte ihr Ableben mitbekommen. Den Kopf hielt er gesenkt und blickte auf den Körper hinab. Nichts regte sich in seinem Gesicht. Die Haut dort war gestrafft worden. Das sonst so fröhliche Kindergesicht hatte sich in eine Maske verwandelt.
    Das Licht gab es nicht mehr. Sofort nach dem Tod der Frau war es zusammengefallen, als hätte es der Boden einfach aufgesaugt. Jetzt lag wieder die normale Dunkelheit über dem Friedhof, eingepackt in die schwüle Luft, in der sich das Zirpen der Grillen auf einmal so laut anhörte.
    Toby wusste nicht, was er tun sollte. Er war leer. Er war eine Hülle, er stand unter dem Bann des Belial, dessen scharfes Lachen sein Ohr erreichte. Genau dieses Geräusch riss Toby Cramer aus seiner Erstarrung. Er ›lebte‹ wieder und drehte sich um.
    Die dunkle Gestalt des Lügenengels hob sich vor dem grauen Hintergrund scharf ab. Hinzu kam der blasse Mondschein, der aus der Höhe auf die Erde fiel, aber das war auch alles, was Toby zunächst sah.
    Abgesehen von einem Bogen in den Händen der mächtigen Gestalt, der diesmal nicht gespannt war.
    Ob Toby es wollte oder nicht, er musste einfach zuhören, was ihm Belial sagte: »Sie ist tot. Sie hätte die anderen Engel gegen mich aufbringen können, doch ich bin schneller gewesen, und deshalb werde ich meine Rachetour fortsetzen. Ich werde den Menschen ihre Schutzengel nehmen und sie am Leben lassen. Ohne Schutzengel sind sie leichter zu fassen. Dir habe ich den Schutzengel genommen, Toby. Du bist nicht der Tobias, der sich auf den Engel Raphael verlassen konnte. Du bist ein normaler Mensch, und du bist jetzt schutzlos. Aber du hast indirekt etwas in die Wege geleitet, das mir nicht gefallen kann. Ich habe menschliche Todfeinde von mir gesehen. Sie wären nicht erschienen, wenn du nicht gewesen wärst. Deshalb kann ich dich nicht am Leben lassen. Du hast Glück, denn die Strahlen des Mondes haben dich verändert. Ich weiß nicht, was du hörst, und ob du alles mitbekommst, doch auf diesem Friedhof wirst auch du dein Grab finden…«
    Toby hatte zugehört. Er hatte die Worte auch verstanden. Er wusste, was Belial von ihm wollte, doch er selbst bewegte sich nicht. Er stand einfach nur da und schaute hilflos zu, wie sich Belial bewegte. Nur seine Arme waren dabei wichtig.
    An seinem Rücken verborgen hatte er die Pfeile. Mit einer schon lässigen Bewegung holte er wieder einen dieser golden schimmernden Mordinstrumente hervor und legte den Pfeil mit einer exakten Bewegung auf den Bogen. Dann spannte er
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