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Das Engelsgrab

Das Engelsgrab

Titel: Das Engelsgrab
Autoren: Jason Dark
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Deshalb trat sie die Flucht nach vorn an. »Gut«, sagte sie, nickte und versuchte dabei, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten und sich von ihrer Angst nichts anmerken zu lassen. »Wenn das so ist, dann möchte ich den Jungen an die Hand nehmen, mit ihm weggehen und ihn zu seiner Mutter bringen.«
    Belial löste die Hand von Tobys Körper. Claudine war sprachlos.
    Damit hatte sie nicht gerechnet. »Bitte«, sagte sie, ohne groß zu überlegen. »Schick ihn her…«
    Belial stieß den Jungen an. Nur ein kleiner Tupfer, aber Toby gehorchte. Er ging auf Claudine Lanson zu.
    Das darf nicht wahr sein! fuhr es ihr durch den Kopf. Das ist wirklich verrückt. Da komme ich nicht mit. Belial ist der Engel der Lüge. Er muss einfach lügen. Und jetzt lässt er den Jungen einfach laufen. Das kann ich nicht begreifen…
    Toby ging nicht normal. Steif bewegte er sich voran. Zwar hielt der Junge die Augen offen, das besagte bei Claudine nichts. Sie hatte trotzdem den Eindruck, als würde er schlafen oder schlafwandeln. Erst als Toby dicht vor ihr stand, fand sie sich wieder zurecht und wusste nun, dass sie gefordert war. Über den Kopf des Kindes hinweg schaute sie auf Belial. Dessen dünner Mund hatte sich zu einem breiten Lächeln verzogen. Ansonsten unternahm er nichts. Er hatte Toby tatsächlich freiwillig abgegeben.
    Lüge? Keine Lüge?
    Eine verkehrte Welt. Alles war auf den Kopf gestellt worden. Sie kam nicht mehr zurecht, und auch Toby sagte nichts. Claudine musste etwas tun. Mit einer sehr scheu wirkenden Bewegung fasste sie Toby an. Sie strich ihm übers Haar, als wäre sie seine Mutter, aber Toby bewegte sich nicht. Dann sprach sie ihn an. »Kommst du mit mir?«
    Keine Reaktion.
    Claudine atmete schwer. Auf einmal fühlte sie sich verlassen und zugleich überfordert. Sie fand sich mit dem Gedanken nur schwerlich ab, in Toby keinen normalen Menschen zu sehen. Als sie nach seinem linken Arm griff, ließ er es mit sich geschehen, und auch der mächtige Belial griff nicht ein.
    Claudine hob den Arm an, um Toby normal an die Hand nehmen zu können. »Komm mit mir«, flüsterte sie ihm zu. »Wir beide werden jetzt zu deiner Mutter gehen.«
    Auch dieser Satz riss den Jungen nicht aus seiner Lethargie. Er gehorchte ausschließlich dem Druck und dem Zug der Frauenhand. Mit steifen Schritten ging er weiter, wobei er dicht neben Claudine blieb.
    Ihr Herzschlag raste. Sie wäre am liebsten weggerannt oder hätte sich Flügel gewünscht, wie die Engel sie hatten. Aber sie ging langsam, und sie wusste Belial dabei in ihrem Rücken.
    Im Rücken! Der Engel der Lügen!
    Etwas störte sie. Fremde Gedanken drangen in ihren Kopf. Sie verwandelten sich in warme, seichte und leicht singend klingende Stimmen. Claudine wusste, dass andere Engel mit ihr Kontakt aufgenommen hatten. Sie dachte daran, dass auch sie einen Schutzengel besaß. Ob er sich bei den anderen befunden hatte, wusste sie nicht, aber es musste seine Botschaft sein, die einfach nicht aufhören wollte.
    ER IST DER ENGEL DER LÜGEN!
    Diesen einen Satz hörte sie immer wieder, als sollte er sich in ihrem Kopf festsetzen. Claudine Lanson war so durcheinander, dass sie nicht mehr weiterging und einfach stehen blieb. Jetzt kam sie sich vor wie eine Statue. Ihr Körper streikte vor dem nächsten Schritt, als wollte er dafür sorgen, dass sie die Warnung mit eigenen Augen sah.
    Claudine riskierte es. Sie ließ Tobys Hand los. Der Arm des Jungen sackte nach unten. Dann drehte sich die Frau um. So wie es im Alten Testament Lots Frau getan hatte und schrecklich dafür büßen musste.
    Beinahe wäre auch Claudine zur Salzsäule erstarrt, denn der Warner in ihrem Kopf hatte recht behalten.
    Belial war der Engel der Lügen, und das bewies er in diesem Augenblick, denn er hatte bereits seine Waffe in Anschlag gebracht.
    Woher er sie so schnell genommen hatte, war Claudine unklar. Es zählte auch nicht. Die Waffe war einzig und allein wichtig.
    Sie bestand aus zwei Teilen. Zum einen war es ein Bogen, zum anderen ein Pfeil. Belial hatte ihn bereits aufgelegt und die Sehne gespannt. Vor dem sirrenden Geräusch, das entstand, als der Pfeil abgeschossen wurde, hörte die Frau noch ein leises Lachen.
    Ausweichen konnte sie nicht mehr. Neben ihr stand Toby. Er schaute zu, wie der goldene Pfeil in den Körper der Claudine Lanson drang…
    ***
    Waren wir gefahren oder geflogen?
    So genau konnte ich mich daran nicht mehr erinnern. Jedenfalls hatten wir den alten und fast vergessenen Friedhof in einer
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