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Das elfte Gebot

Das elfte Gebot

Titel: Das elfte Gebot
Autoren: Lester del Rey
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sterben, um ihres Geburtfetischs willen. Ellen hatte das Verbrechen des Diebstahls ihres eigenen Kindes eingehen müssen, das zu bekommen man sie mit dem elften Gebot gezwungen hatte. Und Mort war tot. Was hätte aus Mort in einer besseren Welt werden können? Er war zwar ein Feigling gewesen, und doch hatte er sein Leben aufs Spiel gesetzt, um jemanden zu retten, den er liebte.
    „Meine Sünde“, sagte er bedächtig, „war, daß ich willig, wenn auch unwissend, die Chance einer Hungersnot beendete, die Ihr Gott Ihnen gerechterweise auferlegen wollte. Das bereue ich, mehr nicht. Die Milliarden armer Teufel, die leben, damit Sie sie schikanieren können, wären besser Hungers gestorben.“
    Hinter sich hörte er, wie Gordini erstarrte und leise kicherte. Swartz hörte zu, lediglich der Ausdruck der Sorge in seinem Gesicht nahm zu. Ärger zeigte er nicht.
    „Trotzdem“, sagte er. „Wir müssen versuchen, Sie zu retten.“
    Sie versuchten es. Sie versuchten es mit jedem möglichen Angriff auf Vernunft oder Emotion. Sie benutzten sogar die alte Methode, ihn mit einem Scheinwerfer anzustrahlen, während der restliche Raum verdunkelt wurde. Sie bombardierten ihn mit Fragen, beschuldigten ihn wegen Dingen, die er sich nicht einmal hatte vorstellen können, und gaben sich dann gerade lange genug freundlich, um ihn vollkommen aus dem Gleichgewicht zu bringen. Als Swartz müde wurde, nahm ein anderer Mann seinen Platz ein, wenn Boyd dies auch nur durch eine Veränderung der Stimme bewußt wurde. Die Temperatur in dem Raum war gestiegen, er konnte eine unüberschaubare Anzahl von Wassergläsern sehen, deren Inhalt schon konsumiert worden war. Als seine eigene Kehle zu ausgetrocknet war, um noch sinnvolle Laute bilden zu können, gab man ihm gerade soviel Flüssigkeit, daß das Sprechen wieder möglich wurde. Einmal, als er das Sprechen verweigerte, hoben sie ihm etwas Aromatisches unter die Nase. Einige Minuten später bemerkte er, wie er wie von Sinnen über seine Sorgen um das Schicksal von Ellen plapperte. Er kämpfte die Droge nieder, doch von da an machte er keinen Versuch mehr, sich zu widersetzen. Einmal ließen sie ihn ungefähr fünf Minuten lang schlafen, dann weckten sie ihn, und alles begann von vorn.
    Sie hätten ein Wahrheitsserum verwenden können, aber das hätte für sie überhaupt nichts gebracht – sein Wort mußte schließlich bewußt und überzeugt gegeben werden, zumindest technisch rechtskräftig.
    Er fürchtete sehr, bald an seine Grenzen zu stoßen und zusammenzubrechen, doch Stunde um Stunde verstrich, und im Laufe der Zeit verschwand diese Furcht. Irgendwo in seinem Inneren verfügte er über Kraftreserven, die er nicht erwartet hatte. Er konnte ihnen trotzen.
    Swartz lehnte sich zurück, das Licht wurde wieder ein-, der Scheinwerfer ausgeschaltet. Der Geruch menschlicher Ausdünstungen hing schwer im Raum, die Echos der seit Stunden anhaltenden Spannung waren fast greifbar. Gordini hatte ein paarmal den Saal verlassen, auch im Augenblick war er abwesend. Boyd sah, wie die Augen des Bischofs sich anklagend auf den leeren Stuhl richteten, doch er gab keinen Kommentar. Einen Augenblick lang ruhten sie alle aus, keiner sprach. Es war die gesegnetste Stille, die Boyd jemals erlebt hatte.
    Dann beugte Swartz sich wieder nach vorn. „In Ordnung, Dr. Villard“, sagte er.
    Der Doktor näherte sich Boyd, er hielt eine Spritze in der Hand. Boyd wich im ersten Moment zurück. Aber es spielte keine Rolle. Wenn sie nun ein Serum verwenden würden, das seine Zunge löste, dann wäre das ein Eingeständnis ihres eigenen Versagens. Er hielt den Arm hin, noch bevor der Assistent ihn zu fassen bekam, und spürte kurz darauf den Schmerz des Nadeleinstichs.
    Es war kein Wahrheitsserum. Um den Einstich herum machte sich ein Gefühl der Taubheit breit. Diese breitete sich langsam seinen Arm hinauf bis in die Schulter aus, dann pulsierte sie weiter durch seinen Kreislauf. Er versuchte seinen Arm zu bewegen. Er spürte überhaupt nichts – und trotzdem hatte er ihn angehoben! Er hatte die normalen kinästhetischen Signale, die eine solche Bewegung normalerweise begleiten, ganz einfach nicht gespürt. Argwohn machte sich dunkel in ihm breit, er versuchte aufzustehen, doch er fühlte sich bereits am ganzen Körper so taub an, daß er keinerlei Kontrolle mehr über seine Muskeln hatte. Er wäre gestürzt, hätte der Assistent ihn nicht gestützt.
    Er konnte keinen der normalen Eindrücke, an die er gewöhnt war, mehr
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