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Das elfte Gebot

Das elfte Gebot

Titel: Das elfte Gebot
Autoren: Lester del Rey
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immer fürchtete er sich. Sein Gesicht war eine Maske des Schreckens, er schrie laut, aber mehr vor Furcht als wegen der Schmerzen. Trotzdem versuchte er, seine Augen auf Boyd zu fokussieren und bewegte eine Hand in einer merkwürdigen, fragenden Geste. Boyd beugte sich über ihn. „Sie ist wohlauf, Mort!“ schrie er. „Sie ist entkommen!“
    Mort nickte schwach, und der Ansatz eines Lächelns erschien auf seinem Gesicht, bevor er sein Leben aushauchte.
    Er hatte gewußt, daß noch ein dritter Mann da war, und er war vorsätzlich in dessen Richtung gerannt, um das Feuer aller drei auf sich zu ziehen. Er hatte sich seinen Siegesruhm verdient, wenn er auch nicht gewonnen hatte. Mort hatte es nie richtig geschafft in seinem Leben. Sollte er wenigstens im Tod denken, seine letzten Bemühungen seien erfolgreich gewesen.
    „Schlechter Schuß“, sagte die große Wache neben Boyd zu dem anderen Priester. „Dafür darfst du den Körper auch tragen.“
    Dieser sah mit einer Mischung aus Abscheu und Mitleid auf den toten Mort hinab, dann beugte er sich hinunter und hob den Leichnam auf. „Ich bin kein so schlechter Schütze wie du“, sagte er. „Aber ich durfte es nicht riskieren, ihn nur zu verwunden.“
    Ellen wich nicht von der Leiche ihres Bruders zurück. Sie stellte sich neben ihn und betrachtete ihn, dann betete sie. Der Priester wartete, bis sie damit fertig war, bevor er sie mit sanfter Gewalt in den Wagen drängte. Als sie einstieg, betrachtete er sie sorgfältig.
    „Sind Sie schwanger, Mrs. Serkin?“ fragte er. Bei ihrem Nicken griff er nach einem Stapel Papier. „Das hatte ich schon vermutet. Ich werde eine Notiz machen, damit man Ihnen gegenüber eine gewisse Nachsicht übt.“
    Boyd und Ellen wurden zu gegenüberliegenden Seiten des Wagens geführt, die Wachen saßen zwischen ihnen und der Tür. Boyd beobachtete sie, wie sie ihre Papiere in Ordnung brachten. Obenauf schien ein Haftbefehl zu liegen, Boyd streckte die Hand danach aus. Zu seiner Überraschung wurde ihm das Papier ohne Fragen ausgehändigt. Vielleicht wurde er damit belohnt, weil er keinen Fluchtversuch unternommen hatte, oder aber es spielte einfach keine Rolle, ob er wußte, was darin stand oder nicht. Das Blatt, auf dem sein Name stand, enthielt eine komplette Liste all seiner Verbrechen – Alchimie, Praktizierung von Hexerei, Handel mit verbotenen Drogen und noch ein paar weniger bedeutende Dinge, darunter Diebstahl von Kircheneigentum und Vertrauensbruch.
    Sie wußten ganz akkurat über alles Bescheid. Er und Mort hatten von vornherein keine Chance gehabt. Er blätterte um und schlug die Seite auf, auf welcher Ellens Sünden verzeichnet waren. Dort fand er nur einen einzigen Eintrag: Ihr wurde vorgeworfen, mit Hexen unter einer Decke gesteckt zu haben. Sonst wurde nichts erwähnt, was seltsam war, wenn man seine eigene Liste betrachtete.
    Sie fuhren in den Innenhof der Kathedrale der Barmherzigen Mutter, wo einer der Priester Ellen bedeutete, ihm zu folgen. „Sie nicht, Dr. Jensen“, sagte er.
    Die beiden gingen schließlich kurz hinaus und gaben Boyd damit eine Chance, Ellen noch einmal in die Arme zu schließen und sie zu küssen, ein letztes Mal. Er wollte etwas sagen, doch sie legte einen Finger auf seine Lippen. Wahrscheinlich hatte sie recht damit. Es gab keine Worte, die geholfen hätten. Er sah ihr nach, wie sie hocherhobenen Kopfes von dem Wagen fortging, bevor der große Priester die Tür schloß und sie sich wieder in Bewegung setzten.
    Dieses Mal war es eine lange Fahrt, und langsam begann er zu ahnen, welchem Ziel sie entgegenfuhren. Er war der Jurisdiktion Bonafortes direkt unterstellt worden, daher wurde er wahrscheinlich auch direkt in der großen Kathedrale verurteilt und nicht irgendwo in einer kleineren Diözese. Aus den Bewegungen des Wagens schloß er, daß sie zur Rückwand des Hauptgebäudes fuhren und dort dann eine Art Rampe hinunter, an irgendeinen unterirdischen Ort. Als sie schließlich anhielten und er ausstieg, mußten sie sich vor dem Eingang dessen befinden, was wohl der Kerker war.
    Man führte ihn zu einem kleinen Zellenblock, dessen Zellen noch alle frei waren. Dort wurde er sorgfältigst durchsucht und durchleuchtet, bevor man ihn in eine dieser Zellen führte. Diese war fast luxuriös zu nennen: eine weiche, gepolsterte Liege und sanitäre Einrichtungen, die besser waren als diejenigen, an die Boyd sich in der Zwischenzeit hatte gewöhnen müssen. Die Wache, die ihn hergebracht hatte,
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