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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich
Autoren: Betty McDonald
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knapper Not.«
    Kurz nach sieben Uhr erschien Maxwell Jefferson. Er war allein und sagte in seiner sanften, freundlichen Stimme: »Machen Sie sich keine Sorgen, Kindchen. Ich habe die größten Trunkenbolde von Amerika zusammengetrommelt, sie schuften wie die Besessenen, weil sie glauben, meine Brennerei liege irgendwo da oben und sei gefährdet.« Jefferson war großgewachsen, dunkelhäutig, hatte einen südlichen Akzent und die Höflichkeit der Kavaliere vergangener Zeiten. Mit seinen sanften, aber scharf blickenden Augen registrierte er jede Fluchtmöglichkeit aus einem Raum, bevor er die Schwelle überschritt. Er nahm dankend Kaffee und belegte Brote entgegen, lehnte sich bequem in seinem Stuhl zurück, tastete aber von Zeit zu Zeit automatisch nach der Pistole in seiner Hüfttasche. Trafen sich dann unsere Blicke, lächelte er mich entschuldigend an. Er hätte mir etwas mitgebracht, sagte er, und als er die Brote vertilgt hatte, ging er hinaus und kehrte mit einem Fünfzigliterfaß Whisky zurück. »Der is ganz große Klasse, der Whisky«, erklärte er stolz. »Hat oben in ’nem Baum gehangen und sollt von Rechts wegen sanft wie Öl die Gurgel hinunterfließen.« Bevor ich mich bedanken konnte, war er schon verschwunden.
    Ich brachte das Baby zu Bett und beobachtete dann von der Terrasse aus das Feuer. Das Krachen und Knistern war deutlich zu hören. Sooft wieder eine Partie Männer gefüttert war und das Haus verließ, um sich von neuem in den Kampf zu stürzen, überlegte ich fieberhaft, was ich wohl zuerst packen sollte, wenn wir die Farm räumen mußten; es war sehr schwer, sich zu entscheiden, doch zu guter Letzt legte ich mich auf meine Kleine, das Faß Whisky und die Tiere fest.
    Nach acht Uhr tauchte plötzlich Mrs. Hicks auf, beladen mit Schokoladenkuchen, zwei Pfund Butter und zwei Flaschen Sahne. Der Wind hatte sich gelegt, aber nun umstrich der Rauch schwer und dick das Haus, und selbst bei geschlossenen Türen und Fenstern kroch er durch die Spalten und kitzelte einen im Hals und in der Nase. Zugleich mit Mrs. Hicks war eine Gruppe Männer gekommen, und wir mußten ihnen erst zu trinken geben, bevor wir uns unterhalten konnten. Als ich Zeit fand, mich Birdie zu widmen, fand ich sie zu meinem Vergnügen auf dem Whiskyfaß sitzend, das sie zum Herd gezogen und mit einem Kissen gepolstert hatte.
    Mitten in unsern Klatsch stürmte Bob, und wir suchten mit vereinten Kräften die alten Futtersäcke hervor, die wir im Werkzeugschuppen aufbewahrten, tränkten sie mit Wasser und verluden sie in den Wagen. Jefferson habe die Kettles mit vorgehaltener Pistole zum Arbeiten gezwungen, berichtete Bob, und Maw Kettle sei in Tränen aufgelöst zu ihm gekommen und habe sich erkundigt, ob sie nicht auch etwas helfen könne.
    Nachdem Bob mit nassen Säcken und zehn Milchkannen voll Wasser wieder losgefahren war, ging ich zu unserem Kälbchen in den Stall. Es stand ruhig da, fraß aber nichts. Ich führte es hinaus und band es an den Kirschbaum. Sport, der angeblich schrecklich bissige, gefährliche Jagdhund, den Bob seinerzeit unter Einhaltung aller Vorsichtsmaßregeln aus der Stadt gebracht hatte, sprang um mich herum und wedelte mit dem Schwanz. Sooft er mir in die Quere kam, gab er Pfötchen, gegen zehn Uhr wurde mir das Spiel zu dumm, und ich fuhr ihn an: »Ach du blödes Vieh, jetzt hör endlich auf!« Er warf mir einen so vorwurfsvollen Blick zu, daß ich ihm schnell sechs Stück Kuchen gab und ihn hinter Herd führte, wo er den Rest des Abends blieb, sich von Zeit zu Zeit schüttelte und ununterbrochen leise jaulte. Um halb elf machte sich Birdie Hicks auf den Heimweg, aber nicht, bevor ich versprochen hatte, falls ein Unglück geschehe, bis ans Ende meiner Tage bei ihr zu bleiben.
    Später muß ich wohl über einem Magazin eingedöst sein, denn plötzlich schreckten mich laute Rufe von der Straße her auf, ich dachte entsetzt: »Es ist soweit. Soll ich nun das Baby wecken oder warten, bis Bob kommt?« Ich schüttelte mich vor Angst, stopfte in meiner Verwirrung Herd Holz ins Maul, doch gleich darauf ärgerte ich mich über meine Kopflosigkeit, denn was hatte es für Sinn, einzuheizen, wenn bald das ganze Haus brennen würde? Wo nur Bob steckte? Ob ihm etwas zugestoßen war?
    Da öffnete sich die Tür, Maxwell Jefferson trat ein, lächelnd wie der Ansager im Kabarett. »Schon vorbei, die ganze Geschichte. In zehn Minuten etwa wird’s anfangen zu regnen, und das Feuer wird in der Schlucht erstickt. Gleich wird
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