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Das echte Log des Phileas Fogg

Das echte Log des Phileas Fogg

Titel: Das echte Log des Phileas Fogg
Autoren: Philip José Farmer
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einen anderen einzustellen; oder darauf, daß es sich bei der berühmten Wette, die man später im Reform-Club abschloß, ebenfalls unrein Resultat dieses Signals handelte.
    Dies mag der Grund für Mr. Foggs exzentrische Unnachsichtigkeit gewesen sein. Einen Diener hinauszuwerfen, weil er ein um 1°C zu niedrig temperiertes Rasierwasser bringt, muß als exzentrisch gelten. Ein derartiges Verhalten von einem ›normalen‹ Mann würde sofort Aufmerksamkeit erregen. Von Mr. Fogg jedoch mußte man ein so exzentrisches Verhalten erwarten. Wäre seine Reaktion anders ausgefallen, jeder hypothetische verborgene Beobachter hätte in der Tat Verdacht geschöpft.
    Um 9.40 Uhr half Forster Fogg beim Ankleiden. 15 Minuten später ging Forster aus dem Haus und bestieg eine Droschke zu der Personalagentur, die sich auf Vermittlung von Dienern, Boten, Zimmermädchen und Küchenpersonal spezialisiert hatte.
    Phileas Fogg setzte sich in seinen Sessel und nahm seine gewohnte Haltung ein. Sein Rückgrat war gerade wie ein Ladestock; seine Schulterblätter waren hart gegen die Sessellehne gedrückt. Seine Füße standen unmittelbar nebeneinander. Seine Handflächen ruhten auf den Knien. Sein Blick war auf eine große Uhr an der jenseitigen Wand gerichtet. Das Instrument zeigte nicht allein die Sekunden, Minuten und Stunden an, wie es üblich ist, sondern auch den Tag, den Monat und das Jahr. Er bewegte sich nicht, ausgenommen das Heben und Senken des Brustkorbs, das sich bei jedem lebendigen Säugetier verfolgen läßt – daher ereignete sich dieser Vorgang sogar bei Mr. Fogg –, und das Zucken der Wimpern. Trotz aller Hinweise auf den starren Schurkenblick, welche sich in den Groschenromanen des Jahres 1872 so gut finden wie in den Heftchen des Jahres 1976, kommt kein Geschöpf im Besitz von Augenlicht ohne Blinzeln aus. Die Folgen sind zu schmerzhaft. Und so blinzelte Mr. Fogg, wie er es absichtlich getan hätte, wäre er nicht ohnehin dazu gezwungen gewesen.
    Er bezweifelte, daß sich im Haus irgendwelche Spione verbargen, menschlicher oder mechanischer Natur, doch die Möglichkeit bestand. Er führte sein Leben, als sei er ein Automat – Mr. Poes mechanischem Schachspieler nicht unähnlich; und er führte es aus zwei Gründen: erstens, sein Pflegevater hatte es ihn so gelehrt. Zweitens, er wollte, obwohl er in Ruhe lebte, ein auffälliges Leben führen. Wenige wußten von seiner Existenz, aber diese wenigen waren sich ihrer sehr gut bewußt. Seine Außergewöhnlichkeit diente dem Zweck, die Aufmerksamkeit des Feindes von seiner Person abzulenken. Der Feind ging davon aus, daß seine Gegner alles taten, um normal zu erscheinen, mit der Menge der Menschen zu verschmelzen. Daher sah Mr. Fogg in seinem Verhalten die beste Garantie, um den Feind davon zu überzeugen, daß er überhaupt keinen Anlaß habe, sich vor ihm zu verstecken.
    Dennoch sprachen einige Anzeichen dafür, daß Fogg einerÜberwachung unterlag. Und deshalb verhielt sich Fogg, ob allein oder in Gesellschaft, stets wie Fogg. Er tat es schon seit so langer Zeit, daß er jedes andere Verhalten als unnatürlich empfunden hätte.
    Sein Ruf war wie er, und er war wie sein Ruf.
    Doch das sollte sich alsbald ändern. Vielleicht beschleunigten die Vorzeichen dieser Veränderung – ja, die Gewißheit – seinen Herzschlag.
    Vielleicht.
    Aber war nicht er der Mann, der zu sagen pflegte: »Es gibt nichts Unvorhergesehenes.«? Benutzte er, während er reglos im Sessel saß, sein Gehirn wie einen Computer, um die Höchstwahrscheinlichkeiten der Zukunft zu extrapolieren? Hatte die während seiner Kindheit erfahrene Ausbildung ihn befähigt, gewisse Nervenknoten und gewisse Zonen in seinem Gehirn so anzuregen oder umzufunktionieren, daß es Kalkulationen mit der Geschwindigkeit eines modernen Elektronengehirns durchzuführen vermochte? Konnte er die statistische Wahrscheinlichkeit künftiger Ereignisse in potentia berechnen? Fogg erwähnt nichts davon in seinem Tagebuch, doch es enthält einige Formulierungen, die unseren Verdacht direkt auf eine solche Fähigkeit lenken. Besaß er diese Fähigkeit wirklich, dann muß er gewußt haben, daß er diese oder jene Entwicklung der Dinge niemals ausschließen konnte. Obwohl es bei einem Ausblick in die Zukunft nichts Unvorhersehbares geben kann, enthüllt er keineswegs das Unvermeidbare. Andernfalls, ließen sich Unvermeidbarkeiten voraussehen, hätte die eine oder die andere Seite in diesem unsichtbaren Krieg schon längst ihre
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