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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume
Autoren: Maria Duenas
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Nacht. Ich nutzte die Unterbrechung unseres Gesprächs, um ihn zu betrachten, während er ein paar Sätze mit dem Kellner wechselte. Er trug einen anderen Anzug als am Tag zuvor, ein anderes makelloses Hemd. Er besaß elegante Umgangsformen, und trotz dieser Eleganz, die den Männern in meiner Umgebung so fremd war, war er gleichzeitig mit jeder Faser seines Körpers der Inbegriff von Männlichkeit: wenn er an der Zigarette zog, wenn er den Krawattenknoten zurechtrückte, wenn er seine Brieftasche aus der Hosentasche holte oder wenn er die Kaffeetasse zum Mund führte.
    » Und warum will eine Frau wie du ihr Leben lang in einem Ministerium sitzen, wenn die Frage nicht zu indiskret ist?«, wollte er wissen, nachdem er den ersten Schluck Kaffee getrunken hatte.
    Ich zuckte die Achseln.
    » Damit wir uns ein besseres Leben leisten können, denke ich.«
    Wieder beugte er sich zu mir, wieder drang mir seine sinnliche Stimme ins Ohr.
    » Willst du wirklich ein besseres Leben, Sira?«
    Ich nahm einen Schluck von meiner Schokolade, um nicht antworten zu müssen.
    » Du hast dich bekleckert, komm, ich mache es weg«, sagte er.
    Und er umfasste mein Kinn mit seiner Hand, sodass sie meine Knochen umschmiegte, als wäre sie und keine andere die Form, nach der ich gestaltet worden war. Dann legte er den Daumen an die Stelle am Mundwinkel, wo angeblich der Schokoladentropfen hing, und streichelte mich dort sanft, ohne jede Eile. Ich wehrte mich nicht dagegen: Eine Mischung aus Angst und Lust machte mich unfähig zu jeder Bewegung.
    » Hier ist auch noch etwas«, murmelte er mit heiserer Stimme und strich mit dem Daumen über eine andere Stelle.
    Eine Stelle an meiner Unterlippe wurde mir zum Verhängnis. Er wiederholte die Liebkosung. Noch langsamer, noch sanfter. Mir lief ein Schauder über den Rücken, und ich krallte die Finger in den Samtbezug des Sessels.
    » Und hier auch«, fuhr er fort. Und dann liebkoste er meinen ganzen Mund, Millimeter für Millimeter, von einer Seite zur anderen, rhythmisch, langsam, noch langsamer. Ich war nahe daran, vor Glückseligkeit zu vergehen, ein Gefühl, das ich mir nicht erklären konnte. Es war mir gleichgültig, ob alles gelogen war und sich an meinen Lippen nicht das kleinste Tröpfchen Schokolade fand. Es war mir gleichgültig, dass am Nebentisch drei ehrenwerte alte Herren ihre angeregte Unterhaltung unterbrachen, um die Szene mit begehrlichem Blick zu verfolgen. Vermutlich wünschten sie sich nichts sehnlicher, als dreißig Jahre jünger zu sein.
    Dann fiel eine Schar lärmender Studenten in das Café ein, und durch die Unruhe und ihr Gelächter war die Magie des Augenblicks mit einem Mal zerstört, geplatzt wie eine Seifenblase. Und plötzlich, als wäre ich aus einem Traum erwacht, wurden mir mit einem Schlag verschiedene Dinge bewusst: dass ich noch immer festen Boden unter den Füßen hatte, dass in meinen Mund gleich der Finger eines fremden Mannes eindringen würde, dass an meinem linken Oberschenkel eine Hand begehrlich nach oben wanderte und dass ich im Begriff war, mich kopfüber ins Verderben zu stürzen. Nun, da ich wieder Herrin meiner Sinne war, sprang ich auf und stieß, als ich hastig nach meiner Handtasche griff, das Glas Wasser um, das der Kellner mir zu meiner Schokolade gebracht hatte.
    » Hier haben Sie das Geld für die Schreibmaschine. Heute noch, am späten Nachmittag, wird mein Verlobter sie abholen«, sagte ich mit gepresster Stimme und legte das Bündel Geldscheine hastig auf den Tisch.
    Er packte mein Handgelenk.
    » Geh nicht, Sira, sei nicht böse auf mich.«
    Ich riss mich los. Ohne ihn anzusehen, ohne mich zu verabschieden, drehte ich mich um und machte mich in bemüht würdevoller Haltung auf den Weg zur Tür. Erst da wurde mir bewusst, dass ich das Glas Wasser umgestoßen hatte, denn mein linkes Bein war ganz nass.
    Er folgte mir nicht. Wahrscheinlich spürte er intuitiv, dass es keinen Sinn hatte. Er blieb an seinem Platz sitzen, doch als ich schon ein ganzes Stück entfernt war, schickte er mir einen letzten Pfeil hinterher.
    » Komm mal wieder vorbei. Du weißt ja, wo du mich findest.«
    Ich tat, als hörte ich ihn nicht, schob mich noch rascher durch die herumstehenden Studenten zur Tür und verschwand im Treiben, das auf der Straße herrschte.
    Acht Tage lang legte ich mich mit der Hoffnung schlafen, dass am nächsten Morgen alles anders sein würde, und acht Mal wachte ich am folgenden Morgen mit dem gleichen Gedanken auf: Ramiro Arribas. Die
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