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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer
Autoren: Ralf Isau
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wieder hergestellt, dass er ihm bei der Verabschiedung fast den Brustkorb eindrückte. Der kleine Bonka besaß wirklich eine erstaunliche Kraft.
    »Vergiss mich nicht, Jonas.«
    »Niemals«, versprach der mit belegter Stimme. Er fasste in seine Hosentasche und zog ein kleines glitzerndes Hütchen hervor. »Gib das bitte Syrda. Ich habe es mir nur von ihr geliehen. Richte ihr meinen Dank aus und natürlich meine herzlichen Grüße. Sag dies auch den anderen: Goldan, Lischka, Ximon, Quitu, den Ältesten, allen, die uns kennen.«
    Bergalf nickte tief bewegt.
    Jonas’ Augen wurden plötzlich groß. »Warte, fast hätte ich’s vergessen: Ich habe noch etwas für dich – nur für dich, Bergalf.« Jonas wühlte einen Moment in der Hosentasche. Dann zog er eine blau glitzernde Scherbe hervor und reichte sie dem Fährtensucher.
    »Ist das nicht die Schuppe von diesem Kamorrg, die du damals beim Betreten des Zwielandes gefunden hattest?«, staunte Bergalf. »Aber die kann ich nicht annehmen!«
    »Doch, du kannst, mein Freund. Sie soll dich immer an mich erinnern.«
    Bergalfs Faust schloss sich um den flachen Kristall. Er kämpfte gegen die Tränen an. »Lebe wohl, Jonas.«
    »Lebe wohl, du alter Waldläufer.« Schweren Herzens löste sich Jonas von seinem Freund und sah nun zu dem Gorrmack auf.
    »Auch dir möchte ich danken, Macky.«
    »Ich hab dich lieb.«
    Jonas musste einen dicken Kloß hinunterschlucken, bevor er antworten konnte. »Bring meine Freunde gut nach Hause, bitte.«
    »Hm, hm.«
    Noch einmal strich Jonas über das flauschige Fell seines Schelpins. Zuletzt verabschiedete er sich von Kraark.
    »Wenn ich doch nur noch einmal deine Stimme hören könnte.«
    »Kraark, kraark.«
    Jonas streichelte sanft über das schwarz glänzende Gefieder des großen Raben. »Ich verspreche dir bis an mein Lebensende die Tiere zu achten und wenn sie mir zuhören, werde ich ihnen deine Geschichte erzählen. Lebe wohl, mein Freund.«
    Vorsichtig zog Robert seinen Sohn von dem Vogel weg. »Wir müssen einsteigen, Jonas. Ich spüre schon den Sog. Jeden Moment kann’s losgehen.«
    Jonas nickte. Noch einmal ließ er den Blick in die Runde seiner Freunde schweifen. Er gab sich keine Mühe seine Tränen zurückzuhalten.
    »Fliegt einfach in den Strudel«, rief Macky. »Er bringt euch nach Hause.«
    Von seinem Vater ließ sich Jonas in den silbernen Bauch der Transportmaschine schieben. Er bemerkte gar nicht, wie er auf einem der wenigen Passagiersitze festgeschnallt wurde. Sein Blick war durch eines der Fenster gerichtet. Draußen winkten Darina und die anderen.
    »Alle Mann an Bord?«, drang Captain Woolbridges Stimme aus dem offenen Cockpit.
    »Alles klar«, antwortete Robert.
    Die vier kraftvollen Motoren der Roly-Poly brüllten auf wie zornige Bestien. Ein Ruck ging durch das Flugzeug. Sonst geschah nichts.
    »Warum rollt sie nicht?«, stieß Sarah bestürzt hervor.
    »Ihr Fahrwerk steckt immer noch im Sand fest«, ertönte Captain Woolbridges Stimme von vorn. Die Motoren waren wieder in den Leerlauf zurückgefallen.
    Jonas Mutter stöhnte entsetzt auf. »Ich hasse diese fliegenden Büchsen. Und dieses ›Dickerchen‹ ganz besonders.«
    »Sagen Sie so was nicht«, rief Jack über die Schulter. »Ich habe vor vierzehn Jahren nur geflunkert. Unser Pummelchen ist das beste Flugzeug der Welt.« Damit übernahm er selbst den Gashebel und die übrigen Kontrollinstrumente.
    Wieder ging ein Ruck durch die Maschine. Die Triebwerke beschleunigten auf ihre volle Drehzahl. Ein Ächzen ging durch das ganze Flugzeug. Es schien unverrückbar im Sand festzustecken. Doch da wuchs noch einmal die »Leichtigkeit«, wie Macky den Sog des Wirbels genannt hatte. Mit einem metallischen Knirschen befreite sich das Flugzeug aus dem weichen Untergrund.
    Jonas hatte die dramatische Situation erstaunlich ruhig zur Kenntnis genommen. Seine Gedanken waren bei den Freunden draußen. Während sich die Roly-Poly langsam in Bewegung setzte, konnte er sehen, wie sie dort mit den Reittieren auf das Maul der Kristallechse zuliefen. Numin führte die Schelpins hinein. Ihm folgte Bergalf. Zuletzt schickte Darina ihren weißen Hirsch in Mackys dunklen Rachen und drehte sich noch einmal um. Sie winkte, auf ihrer Schulter saß ein verloren wirkender Kraark. Dann wandte sie sich um und verschwand.
    Die vier Motoren der B-24 zerrten das bullige Propellerflugzeug nun mit unbändiger Kraft voran. Nach vierzehn Jahren liefen sie so rund, als wären sie erst am Vortag frisch
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