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Das dunkle Volk: Mondschein: Roman (German Edition)

Das dunkle Volk: Mondschein: Roman (German Edition)

Titel: Das dunkle Volk: Mondschein: Roman (German Edition)
Autoren: Yasmine Galenorn
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»Vielleicht wollte sie nach meiner Schwester suchen.« Er wandte sich mir zu. »Elise, meine Schwester, ist ein Mitglied der Dreizehn-Monde-Gesellschaft. Sie ist vor ein paar Wochen verschwunden.«
    »Eigentlich glaube ich nicht, dass Heather auf der Suche nach ihr in den Wald gegangen ist«, sagte ich leise. »Aber was ist mit der Gesellschaft? Kann sie uns nicht helfen?«
    »Nur Rupert, Tyne und LeAnn sind noch da, nun, da Heather ebenfalls verschwunden ist«, sagte Rhiannon. »Da Marta tot ist und Heather fort, sollten wir uns vielleicht an LeAnn wenden.«
    »LeAnn hat gerade ein Baby bekommen«, wandte Leo ein. »Wir können doch nicht von ihr verlangen, dass sie –«
    Er brach ab, als Rhiannon plötzlich den Kopf in den Nacken warf.
    »Sie ist hier …« Ihre Stimme klang wie aus weiter Ferne, als würde sie durch einen Tunnel rufen, und über ihre Augen hatte sich ein weißer Film gelegt.
    »Was ist? Was siehst du?« Ich ließ ihre Hand los, trat zurück und bedeutete Leo, ihr ebenfalls mehr Luft zu lassen. »Rhiannon, kannst du mich hören?«
    »So hat auch meine Schwester immer ausgesehen, wenn sie in Trance war. Sie war eine Seherin.« Leo trat vorsichtig hinter sie. »Wenn sie fällt, fange ich sie auf.«
    »Hoffentlich ist alles okay mit ihr. Rhiannon, kannst du mich hören? Wo bist du?« Wenn sie nicht jeden Moment antwortete, dann würde ich es aus ihr herausschütteln. Eine derart tiefe Trance konnte jemanden so weit hinunterziehen, dass er nie wieder auftauchte. Doch dann hörte man ein Rasseln in ihrer Kehle, und sie öffnete den Mund. Die Stimme, die herauskam, war uralt und so fragil, als könnte sie zerbersten wie Glas.
    »Der Indigo-Hof hat sich erhoben, die Jagd begonnen. Bebt, meine Feinde, bebt vor Verlangen, und lasst Furcht in eure Herzen.«
    Rhiannon sackte zusammen und plumpste in Leos Arme, und er hielt sie, während sie langsam wieder zu sich kam.
    Ich starrte in den Wald. Was zum Teufel war der Indigo-Hof? Als ein Lufthauch durch den Farn strich und Schnee von den Wedeln fegte, sah ich etwas unter einem Venushaar funkeln. Stumm ging ich in die Knie, um es aufzuheben. Eine weißgoldene Kette mit einer Mondsichel, auf deren Rückseite ein einziges Wort eingraviert war: Heather.
    Ein weiterer Blick auf den verschneiten Boden zeigte mir Blutstropfen neben der Stelle, wo die Kette gelegen hatte. Ich wusste ohne auch nur den Hauch eines Zweifels, dass das, was sich im Wald verbarg, meine Tante entführt hatte. Die Frage lautete nicht mehr: Wo war sie?, sondern: War sie noch am Leben?
    Ich hockte neben den Blutstropfen und betastete die Blätter auf dem Boden. Die Schneedecke war kompakt, noch hatte kein Neuschnee sie verhüllen können, und man konnte Fußabdrücke erkennen.
    »Was gibt’s?« Leo ging neben mir in die Hocke.
    Ich warf einen Blick über die Schulter. »Ärger, das gibt’s.« Ich erhob mich und wischte mir die Hände an meiner Jeans ab. Rhiannon stand etwas abseits. Sie war blass, wirkte aber gefasst. »Alles okay mit dir?«
    Sie nickte. »Was ist denn gerade eben passiert?«
    »Du warst in Trance«, sagte Leo. »Ich weiß, wie so etwas aussieht. Was zum Teufel ist der Indigo-Hof? Und um welche Jagd geht es?«
    »Keine Ahnung.« Ich warf meiner Cousine einen Blick zu. »Kannst du dich erinnern, was du gesagt hast? Irgendwelche Bilder, die dir durch den Sinn gegangen sind, während die Worte durch dich durchkamen?«
    Rhiannon rieb sich mit dem Handrücken die Stirn und zog konzentriert die Brauen zusammen. »Ich glaube … ich habe etwas gesehen. Aber ich weiß nicht genau, wie ich es deuten soll. Ich stand in einem Wald, der in dunkelblaues Licht getaucht war. Die Silhouetten der kahlen Bäume waren silbern … surreal. Echt, aber nicht wirklich. Und ich habe Netze gesehen – Spinnweben? –, die sich zwischen den Ästen spannten.«
    Wo war sie nur gewesen?
    »Sonst noch etwas?«
    »Ja«, sagte sie leise. »Da stand eine Frau. Groß und dünn. Ihre Arme haben mich an Spinnenbeine erinnert, irgendwie staksig und so spindeldürr. Sie trug ein transparentes Kleid. Die Frau breitete die Arme aus, und ein funkelnder Nebel stieg von ihr auf.« Rhiannon schlug sich die Arme um den Körper. »Sie sah mich an, und als sie lächelte, sah ich scharfe Zähne, spitz wie feine Nadeln. Ihre Augen waren schwarz wie die von Vampiren, aber ich konnte das Wirbeln von Sternen darin sehen. Ihr Haar war lang und schwarz, und sie trug einen silbernen Reif auf dem Kopf. Als sie mich
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