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Das dunkle Volk: Mondschein: Roman (German Edition)

Das dunkle Volk: Mondschein: Roman (German Edition)

Titel: Das dunkle Volk: Mondschein: Roman (German Edition)
Autoren: Yasmine Galenorn
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meinem siebzehnten Lebensjahr war ich einmal jährlich zu Hause gewesen, danach hatte ich keinen Fuß mehr nach New Forest gesetzt. Und meine Mutter war für die ältere Hexe eine Persona non grata gewesen. »Warum sollte Marta denn so etwas tun?«
    Heather lachte. »O Cicely, du bist vielleicht allein unterwegs und inzwischen schon sechsundzwanzig, aber du bist eine von uns. Und das warst du immer, auch wenn deine Mutter versucht hat, dich uns zu entfremden. Es ist Zeit, nach Hause zu kommen.« Ihre Stimme klang nun sehr ernst. »Krystal ist tot. Du musst nicht mehr weglaufen. Komm zurück. Wir brauchen dich. Ich brauche dich. Und du … du brauchst uns.«
    Sie hatte recht. Tief in meinem Inneren wusste ich, dass es Zeit für mich war, nach Hause zurückzukehren. Jahrelang war ich immer in Bewegung gewesen, aber nun gab es keinen Grund mehr dazu. Eigentlich hatte ich seit zwei Jahren – seit Krystals Tod – schon keinen Grund mehr, dieses Nomadenleben weiterzuführen, wenn ich nicht manchmal das Gefühl gehabt hätte, das Leben auf der Straße sei alles, was ich wirklich konnte. Doch jetzt hatte Marta mir ihr Geschäft vermacht. Es gab also etwas, zu dem ich zurückkehren konnte. Einen Daseinszweck, der sich nicht mehr darauf beschränkte, meine Mutter und mich am Leben zu halten.
    »Ich bin in spätestens drei Tagen da«, sagte ich. »Kann ich das Zimmer meiner Mutter haben?« Erinnerungen an die veilchenblaue und elfenbeinfarbene Einrichtung stiegen in meinem Bewusstsein auf.
    »Aber natürlich. Außerdem kannst du das Hinterzimmer für dein Geschäft nutzen und einen der Räume im dritten Stock als Lagerraum und Werkstatt.« Wieder lachte Heather. »O Cicely, du hast mir so gefehlt. Ich freue mich sehr, dass du nach Hause kommst, und diesmal nicht nur auf einen kurzen Besuch. Wir haben dich vermisst.«
    Und so nahm ich meinen Rucksack und packte die wenigen Kartons, in denen meine Habe steckte, in Favonis – meinen marineblauen Pontiac GTO Baujahr 1966, den ich beim Würfeln gewonnen hatte – und verließ Kalifornien ohne einen einzigen Blick zurück.
    L.A. war wie jede andere Stadt, in der ich seit meinem sechsten Lebensjahr gewesen war: ein Zwischenstopp auf der holprigen Reise, die mein Dasein bisher dargestellt hatte. Doch nach zwanzig Jahren unterwegs würde meine Vergangenheit wieder meine Zukunft sein. Ich trat das Gaspedal durch, und Favonis brauste schnurstracks die Interstate 5 in den Norden hinauf.
    Ich trug eine schwarze Jeans, ein schwarzes Tanktop und meine besten Stiefel – rattenscharfe Icon-Bikerboots. Eine feste Anstellung besaß ich nicht; ich hatte, seit ich zwölf war, immer wieder verschiedene Jobs angenommen, aber nichts von Dauer. Die ganze Zeit über hatte ich jedoch immer gewusst, dass es etwas für mich gab – etwas, für das ich bestimmt war –, aber was genau das sein mochte, war mir bisher nicht klar. Vielleicht dieses hier. Vielleicht konnte Martas Hexenerbe die Leere füllen.
    »Komm schon, Baby«, murmelte ich aufmunternd. »Lass mich nicht hängen.«
    Und Favonis ließ mich nicht hängen. Wie ein sattes, zufriedenes Kätzchen schnurrte sie bis hinauf zur Küste.
    Während ich über den Freeway brauste und bei gelegentlichen Stopps bei Starbucks und Espressobars wieder auftankte, suchte mein Blick unablässig nach der Abzweigung auf die I-90. New Forest schmiegte sich an das nordwestliche Vorgebirge der Washington Cascades, und die Aussicht, dieses Mal wirklich nach Hause zu kommen, baumelte vor mir wie die Ampulle mit Crack vor einem Junkie.
    Zwanzig Jahre zuvor hatte ich gekreischt und gestrampelt und meine Mutter angefleht, mich bei Heather zu lassen, aber Krystal hatte mich nur angeschnauzt, den Mund zu halten, hatte mich die Treppe vom Haus der Schleier hinuntergezerrt und unten in ein Taxi verfrachtet. Jetzt, nach tausend Meilen und gefühlten tausend Jahren in meinem Herzen, war ich auf dem Weg zurück zu dem einzigen Ort, den ich je als Zuhause betrachtet hatte. Und dieses Mal hatte ich vor, auch zu bleiben.
    Nur dass ich inzwischen sechsundzwanzig bin und meine Mutter tot ist. In New Forest stimmt etwas nicht. Und mein Wolf ist wieder erwacht.

    Etwa zwanzig Meilen vor der Stadt sah ich erste Fleckchen Schnee, und als ich das Willkommen in New Forest -Schild passierte, lag eine Schneedecke auf dem Boden. Da ich meine Tante so spät nicht mehr einfach so überfallen wollte, bog ich auf den Parkplatz des Starlight 5 Motels ein, stellte den Motor ab und
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