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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies
Autoren: Patrick Ness
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ostwärts, die Hauptstraße von New Prentisstown entlang, die Straße, die von den Serpentinen am Wasserfall aus über den Stadtplatz, um die Kathedrale herum und von dort aus ins weiter entfernte Tal führt. Auf den Seitenstraßen marschieren kleinere Soldatentrupps und die Männer von New Prentisstown kommen uns zu Fuß entgegen, mit Rucksäcken und anderem Gepäck.
    »Ich seh gar keine Frauen nicht«, sagt Davy.
    »›Ich sehe keine einzige Frau‹«, verbessert ihn der Bürgermeister. »Und zwar deshalb nicht, weil Hauptmann Morgan und Hauptmann Tate dafür gesorgt haben, dass die Frauen in der vergangenen Nacht abtransportiert wurden.«
    »Was habt Ihr mit ihnen vor?«, frage ich und klammere mich dabei so fest an den Sattelknauf, dass meine Handknöchel weiß hervortreten.
    Er blickt sich nach mir um. »Gar nichts, Todd. Sie werden mit Fürsorge und Anstand behandelt, so wie es ihnen zusteht gemäß der Bedeutung, die sie für die Zukunft von New World haben.« Er wendet sich ab und fügt hinzu: »Aber einstweilen ist es besser, sie von den Männern zu trennen.«
    »Du verweist die Schlampen auf ihren Platz«, sagt Davy höhnisch grinsend.
    »Sprich niemals wieder so in meiner Gegenwart, David«, sagt der Bürgermeister leise, aber in einem Ton, der deutlich macht, dass er keinen Spaß versteht. »Die Frauen werden stets mit Ehrfurcht behandelt und erhalten alle Annehmlichkeiten. Aber auch wenn man es nicht so ordinär formuliert wie du, hast du Recht. Wir alle haben unseren Platz. In New World haben die Männer das vergessen, daher müssen sie von den Frauen getrennt werden, bis wir uns alle wieder entsinnen, wer wir sind und wer wir eigentlich sein sollten.« Seine Stimme hellt sich auf, als er hinzufügt: »Den Menschen wird das gefallen. Ich schaffe Klarheit, wo zuvor Chaos herrschte.«
    »Ist Viola auch bei den Frauen?«, frage ich. »Geht es ihr gut?«
    Er dreht sich wieder zu mir um. »Du hast mir etwas versprochen, Todd Hewitt«, sagt er. »Muss ich dich daran erinnern? ›Bitte rettet sie, ich werde alles tun, was Ihr verlangt‹. Ich glaube, genau so hast du es gesagt.«
    Nervös fahre ich mir mit der Zunge über die Lippen. »Woher soll ich wissen, dass Ihr Euch an Euren Teil der Abmachung haltet?«
    »Das kannst du nicht wissen«, erwidert er und blickt mir dabei fest in die Augen, so als könnte er jede Lüge durchschauen, die ich ihm auftische. »Ich möchte, dass du mir vertraust, Todd. Aber ein Vertrauen, das Beweise braucht, ist kein Vertrauen.«
    Er reitet weiter die Straße entlang und überlässt mich Davy, der albern vor sich hin kichert. Ich flüstere meinem Pferd zu: »Brrr, Mädchen.« Ihr Fell ist dunkelbraun, und sie hat einen weißen Streifen auf der Nase, und ihre Mähne ist so ordentlich gebürstet, dass ich mich gar nicht daran festhalten mag.
    Menschenfohlen , denkt das Pferd.
    Sie , denke ich. Sie. Dann kommt mir eine Frage in den Sinn, die ich noch nie zuvor stellen konnte. Die Mutterschafe auf unserem Bauernhof hatten Lärm, aber Frauen haben keinen.
    »Weil Frauen keine Tiere sind«, sagt der Bürgermeister, der in meinem Lärm gelesen hat. »Egal, was andere behaupten. Sie haben einfach von Natur aus keinen Lärm.« Und er fügt leise hinzu: »Das unterscheidet sie von uns.«
    Es sind zumeist kleine Läden, die sich in diesem Teil der Straße aneinanderreihen, sie liegen verstreut zwischen Bäumen. Die Geschäfte sind geschlossen, weiß der Himmel, wann sie wieder öffnen.
    Auf der linken Seite erstrecken sich die Häuserreihen der Seitenstraßen bis zum Fluss, auf der rechten Seite bis zum Berg am Ende des Tals. Fast alle Häuser wurden mit reichlich Abstand voneinander errichtet; so plant man wohl eine große Stadt, wenn man noch kein Mittel gegen den Lärm gefunden hat.
    Wir begegnen weiteren Soldaten, die in Fünfer- und Zehnergruppen marschieren, und noch viel mehr Menschen sind mit ihren Habseligkeiten unterwegs in Richtung Westen, aber ich sehe keine einzige Frau unter ihnen. Ich blicke in die Gesichter der Männer, die uns entgegenkommen, die meisten starren vor sich auf die Straße, keiner von ihnen macht den Eindruck, als wollte er kämpfen.
    »Brrr, Mädchen«, flüstere ich wieder, denn das Reiten erweist sich als grässlich unbequem für meine empfindlichen Körperteile.
    »Schaut euch Todd an«, sagt Davy und lenkt sein Pferd neben meines. »Er fängt schon an zu jammern.«
    »Halt die Klappe, Davy«, knurre ich.
    »Ihr beide redet euch gefälligst als ›Mr
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