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Das Dunkle Netz Der Rache

Das Dunkle Netz Der Rache

Titel: Das Dunkle Netz Der Rache
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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denken, warum.
    »Mr. van der Hoeven, können Sie Reverend Fergusson über die Ereignisse unterrichten?« John Huggins’ normalerweise unverschämter Ton war regelrecht respektvoll.
    »Meine Schwester Millie – Millicent – wohnt seit ungefähr drei Monaten hier bei mir. Gestern Abend nach dem Essen sagte sie, sie wolle noch einen Spaziergang machen. Als ich heute Morgen aufstand, war sie immer noch nicht zurück.«
    »Um wie viel Uhr hat sie das Haus verlassen?«
    »Gegen zwanzig Uhr.«
    »Hat sie ihr Handy mitgenommen?«
    »Es steckt immer noch im Ladegerät in ihrem Zimmer.«
    Clare warf Huggins einen Blick zu. »Das ist doch ziemlich spät für einen Spaziergang in den Wäldern, oder?«
    Eugene runzelte nachdenklich die Stirn. »Stimmt das? Ich glaube nicht. Außerdem hatte sie eine Taschenlampe. Und durch die Wälder führen überall Pfade.«
    »Haben Sie sich keine Sorgen gemacht, als sie zur Schlafenszeit noch nicht zurück war?«
    »Ich ging gerade zu Bett, als sie zu ihrem Spaziergang aufbrach.« Er wies auf einen verglasten Waffenschrank aus Eiche an der hinteren Wand. »Ich wollte heute Morgen auf die Jagd.«
    Du und alle anderen Männer von Millers Kill, dachte Clare. Sie wandte sich wieder an Huggins. »Ist Millie in guter Verfassung? Gibt es irgendwelche körperlichen Behinderungen, die ihr zu schaffen machen könnten? Kennt sie die Wälder?«
    Eugene van der Hoeven antwortete. »Sie ist kerngesund. Meines Wissens kann sie mühelos zehn Meilen pro Tag wandern. Und was ihre Kenntnis der Wälder betrifft, sie hat von Geburt an, bis sie ins College ging, jeden Sommer hier verbracht.«
    »Wir vermuten, dass sie sich in der Dunkelheit verirrt hat«, sagte Huggins. »Wenn sie schlau ist, und es klingt ganz danach, hat sie sich unter einem Gebüsch verkrochen und wartet auf den Tagesanbruch. Wir gehen bei der Suche von der Annahme aus, dass sie ungefähr zwei Stunden gegangen ist, ehe ihr klar wurde, dass sie sich verlaufen hat.«
    Clare schluckte einen Kraftausdruck hinunter, bevor er ihr entschlüpfen konnte. »Das bedeutet einen Radius von sechs Meilen.«
    »Vielleicht mehr.« Huggins wiegte sich auf den Sohlen seiner Bergsteigerstiefel. »Hoffentlich hat sie schon nach einer Dreiviertelstunde gemerkt, dass sie in Schwierigkeiten steckt, und sich dann nicht mehr von der Stelle gerührt. Aber ich bin kein hoffnungsfroher Typ, deshalb sind wir auf das Schlimmste gefasst.«

6:00 Uhr
    Russ schaltete runter und trieb seinen Pick-up den Holzfällerpfad hinauf, holperte über Steine und Furchen. Er schätzte, dass er nur noch Minuten von einem Nierenschaden entfernt war, als er zwischen den Bäumen ein Schimmern ausmachte. Hinter der letzten Kurve, wo der Weg in Gebüsch und Baumstümpfe überging, hatte Ed Castle seinen Ford Explorer geparkt. Russ stellte sich dahinter und stieg aus. »Wartest du schon lange?«, fragte er.
    »Nein. Perfektes Timing. Offizieller Tagesanbruch ist in fünfzehn Minuten. Dann können wir los. Das wird dein Jahr, oder?«
    »Jede Wette.« Russ holte seinen Rucksack mit Proviant und Thermoskanne aus seinem Wagen und schwang ihn über die Schulter. »Zwölfender oder gar nichts.«
    Ed lachte schnaubend.
    Russ war in den letzten drei Jahren jeden Herbst mit dem Mann auf die Jagd gegangen und hatte noch nicht mal einen Jährling erlegt, ganz zu schweigen von einem Hirsch mit zwölfsprossigem Geweih.
    Er füllte seine Tasche mit Ersatzpatronen und öffnete dann seine neue Gewehrhülle. Ed pfiff, als Russ das Weatherby hervorzog. »Schau sich das einer an!« Ed bewunderte es. Russ hielt das Gewehr dem älteren Mann zur Begutachtung hin. Ed lehnte sein eigenes Gewehr an den Pick-up und ergriff ehrfürchtig das Weatherby. »’ne echte Schönheit.«
    »Geburtstagsgeschenk von meiner Frau.«
    »Das nenn ich mal ’ne Frau. Weißt du, was ich zum letzten Geburtstag von meiner Frau bekommen habe? Ein Essen im Restaurant, bei dem ich einen Schlips tragen musste, und einen Fisch auf einer Hängetafel, der singt, wenn man dran vorbeigeht.« Er streichelte liebevoll den Schaft des Weatherby. »Du behandelst deine Frau genau richtig.«
    »Ich versuche es.«
    Ed gab Russ das Gewehr zurück. »Fertig?«
    »Du gehst vor.«
    Eine Weile liefen sie schweigend, beobachteten, wie die Zweige in allen Einzelheiten hervortraten und bittersüße Beeren sich im zunehmenden Licht von grau zu orange verfärbten. Russ liebte die Wälder zu dieser Jahreszeit, liebte den trockenen, halb modrigen Geruch des Laubs,
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