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Das dunkle Erbe

Das dunkle Erbe

Titel: Das dunkle Erbe
Autoren: Thomas Kastura
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wenn jemandem die Halsschlagader durchschnitten wurde. Ein heller Mantel konnte dabei unmöglich sauber geblieben sein.
    »Wie häufig kam Doktor Schwan her?«, fuhr Heide fort.
    »Jeden Freitag, manchmal auch am Wochenende. Seit Februar.«
    »Hatte er einen eigenen Schlüssel?«
    »Das kann gut sein.« Sevenich wies auf die Tür zu Gesa Simons Wohnung. »Wenn ich mich richtig entsinne, hat er selten geklingelt. Das hört man, wenn man genau aufpasst.«
    »Haben Sie sich gelegentlich mit ihm unterhalten?«
    »Der Doktor ist nicht besonders gesprächig. Guten Tag und auf Wiedersehen, mehr war da nicht.«
    »Sie haben uns geholfen, Herr Sevenich«, zwang Heide sich zu sagen. »Danke, das wäre dann alles.«
    Sevenich blieb unschlüssig stehen, während Heide bereits mit ihrem Pocket-PC hantierte und ein Memo für Raupach und Photini verfasste. Schließlich zuckte er mit den Schultern und entfernte sich über die Treppe nach unten.
    Heide blickte erleichtert auf. »Also dann, Höttges. Schauen wir uns die Wohnung noch mal an.«
    »Anstrengender Zeuge.«
    »Wir müssen nehmen, was wir kriegen können.« Sie entfernte das Absperrband und öffnete die Tür.
    Die weißen Linien auf dem Boden stachen Heide in die Augen. Sie war als eine der Ersten am Tatort gewesen. Es lag lange zurück, dass ihr der Anblick einer Leiche nahegegangen war. Im Fall der dreißigjährigen Gesa Simon hatte es ihr den Magen umgedreht. Die Frau hatte im eigenen Blut gelegen, in einer schwärzlichen Lache, die wegen der Gerinnung aussah wie Altöl, auf der Seite, als habe sie sich zum Schlafen niedergelegt. An den Wänden überall Blutspritzer, bis zur Decke.
    Heide war nach draußen an die frische Luft gegangen, bevor sie mit Clausing von der Gerichtsmedizin gesprochen und er ihr die Einschnittstelle am Hals gezeigt hatte. Ein jämmerlicher Tod. Gesa Simon hatte sich nicht einmal wehren können, wie die darauffolgende Untersuchung ergab, keine Hautreste unter den Fingernägeln, keine fremden Haare, nichts für die Analytiker außer den Spuren, die sich sonst noch in der Wohnung befanden: Fingerabdrücke in rauen Mengen sowie ein DNA-Sammelsurium in den beiden Behandlungszimmern. Und eindeutige Spuren von Bernhard Schwan in den privaten Räumen, vor allem im Bett: Hautreste, Schweiß, Körperbehaarung. Im Badezimmer standen noch seine Toilettenartikel: Rasierzeug, Duschgel for Men, eine Zahnbürste.
    Am aufschlussreichsten war die Badewanne. Im Abflusssieb hatte Heides Kollegin Effie Bongartz Blutreste des Mordopfers nachweisen können. Anscheinend hatte sich der Täter über der Wanne gewaschen.
    Heide machte einen langen Schritt über den Leichenumriss hinweg und betrat eine praktisch eingerichtete Wohnküche. Praktisch, dieses Wort traf auf die gesamte Einrichtung zu. Die wenigen Möbelstücke waren zwar ganz ansehnlich, aber unpersönlich. Gesa Simon hatte offenbar aufs Geld schauen müssen.
    Auffällig waren nur die Teppiche, die an der Wand hingen, die Muster wirkten indianisch. In einer kleinen Vitrine befanden sich Urlaubsmitbringsel, nicht das übliche Zeug wie Schüttelgläser oder so etwas, sondern afrikanischer Brandy in einer Art Plastiktube, eine Kette aus exotischen Muscheln, die Heide noch nie gesehen hatte, ein bunter Federschmuck. Gesa Simon schien gern Fernreisen unternommen zu haben. Doch die Sachen lagen schon seit längerem in der Vitrine, sie waren verstaubt, die Federn ausgeblichen.
    Heide ging weiter in die beiden Behandlungsräume. Es gab ein Zimmer mit zwei bequemen Sesseln – hier hatte die Heilpraktikerin ihre Patientengespräche geführt. Nebenan stand eine Liege, wie sie für Massagen benutzt wurde.
    »Runter da!«, zischte Heide.
    Höttges sprang von der Liege, blitzschnell, trotz seiner Leibesfülle. Er hatte seine Chefin nicht kommen gehört. »Aber die Spurensicherung war doch schon –«
    »Diese ewigen Kindereien! Wann werden Sie endlich erwachsen?«
    »Ich wollte nur mal sehen, wie das ist«, wehrte sich Höttges. »Mein Rücken hätte eine Therapie nötig. Vielleicht sollte ich zum Arzt gehen und mir eine verschreiben lassen.« Er griff sich mit verzerrter Miene an die Hüfte.
    »Ihr Rücken braucht mehr Bewegung. Und Sie weniger Reibekuchen. Meinen Sie, die überflüssigen Pfunde gehen weg, wenn jemand lang genug an Ihnen rumknetet?« Heide ging in die Hocke und betrachtete das verstellbare Gestänge der Liege. Es war Marke Eigenbau, aus Vierkantstahl grob zusammengeschweißt, überall ragten Schrauben und
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