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Das Dunkel der Lagune

Das Dunkel der Lagune

Titel: Das Dunkel der Lagune
Autoren: Jack Higgins
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presste sich an das Eisengitter und musterte die Ankömmlinge mit zusammengekniffenen Augen. Hagen griff durch die Gitterstäbe und zupfte den Mann an der Nase. »Was ist denn, Lee, kennst du deine alten Freunde nicht mehr?«
      Ein breites Grinsen erschien auf dem Gesicht, und das Tor wurde geöffnet. Sie schritten hindurch, und Hagen versetzte dem massigen Kerl einen freundschaftlichen Knuff in die Seite: »Bring das Gepäck erst, wenn ich dir Bescheid sage, Lee.« Der immer noch breit grinsende Mongole nickte.
      Als sie die Auffahrt zu dem pompösen Gebäude hochgingen, flüsterte Rose: »Eine groteske Kreatur, wie ein Affe. Warum sagt er nichts?«
      »Die Japsen haben ihm die Zunge abgeschnitten. Er ist der Rausschmeißer hier. Ich kenn niemand, dem er nicht das Kreuz brechen könnte.« Sie schien beeindruckt, und er fügte hinzu: »Merk dir eins: Wenn du hier bleibst, wird dieser ›Affe‹, wie du ihn nennst, auf dich aufpassen, solange ich nicht da bin. Wenn du daran denkst, sieht der Kerl für dich vielleicht ein bisschen sympathischer aus.«
      Ein Dienstmädchen ließ sie herein, schenkte Hagen ein Lächeln zur Begrüßung und führte die beiden in ein großes Empfangszimmer. Rose war überwältigt von der unbeschreiblich luxuriösen Ausstattung. In den chinesischen Kunstgegenständen schien ein kleines Vermögen zu stecken. Aus einem angrenzenden Raum war eine laute Stimme zu hören. Die Tür wurde aufgestoßen, und eine Frau von bizarrer Erscheinung stürmte ins Zimmer. »Mark Hagen – du alter Gauner!«, dröhnte ihre Stimme. Sie flog auf ihn zu und erdrückte ihn fast
    mit ihrer Umarmung.
      Sie trug einen goldfarbenen Kimono über einem schwarzen Hausanzug; diese Farben bildeten einen unmöglichen Kontrast zu ihrem leuchtend rot gefärbten Haar. »Clara, liebst du mich noch?«, wollte Hagen wissen.
      »Dich ganz allein, mein Schatz.« Ihr überschwänglicher Kuss auf seine Wange hinterließ einen orangeroten, schmierigen Abdruck. Dann drehte sie sich um und musterte das Mädchen.
      »Rose, darf ich dich mit Clara Boydell bekannt machen?«, sagte Hagen. »Clara, das ist Rose Graham.«
      Clara griff nach einem silbernen Kästchen, bot Hagen ein Zigarillo an und nahm sich selbst eines. »Meine Güte, Mark, ich wünschte, ich hätte ein paar von ihrem Kaliber. Ich würd ein Vermögen verdienen.«
      Rose errötete und schlug die Augen nieder. Hagen schmunzelte. »Clara, kannst du mir einen großen Gefallen tun?«
      Clara ließ sich in einen Sessel fallen, der unter ihrem Gewicht laut ächzte. »Wenn ich irgendwie kann. Ich bin dir noch den einen oder anderen Gefallen schuldig.« Sie setzte sich auf und schränkte ein: »Es sei denn, es geht um Geld.« Zu Rose gewandt erklärte sie: »Etwas tue ich niemals, Herzchen, und zwar Geld herausrücken. Ich brauche alles für meine Altersversorgung.«
      »Es geht nicht um Geld, Clara«, sagte Hagen. »Ich möchte dich bitten, dass du Rose für ein paar Tage bei dir aufnimmst. Es gibt da ein paar Leute in der Stadt, denen sie lieber nicht über den Weg laufen möchte.«
      Clara kniff die Augen zusammen und beobachtete ihn, lächelte dann. »Ja sicher, warum nicht?« Sie nahm eine Klingel und läutete. »Es kostet mich ja schließlich nichts.«
      Hagen grinste. »Noch was, Clara. Vor dem Tor wartet ein Taxi mit dem Gepäck. Ich fürchte, ich bin pleite.«
      Sie warf ihm einen grimmigen Blick zu, aber als das Dienstmädchen hereinkam, lächelte sie schon wieder. »Na schön, mein Süßer, aber nur dieses eine Mal.« Sie gab dem Mädchen in schauderhaftem Chinesisch eine Anweisung und sagte zu Rose: »Gehen Sie mit dem Mädchen, Herzchen. Wir werden Sie in einem der Gästezimmer unterbringen.«
      Rose lächelte ihr dankbar zu, und als sie das Zimmer verließ, rief Hagen ihr nach: »Wir sehen uns später.«
      »Ja, und wir zwei haben jetzt was zu bereden«, sagte Clara Boydell und schaute ihm fest in die Augen.
      Sie goss zwei Gläser halb voll mit Gin und begann: »Also los, Mark. In was bist du nun schon wieder hineingeschlittert?«
      Hagen ließ sich in einen Sessel fallen und machte es sich bequem. Langsam merkte er, dass er wenig geschlafen hatte. Über den Rand seines Glases hinweg beobachtete er Clara Boydell. In der Vergangenheit hatten sie sich zu gut verstanden und zu oft gegenseitig geholfen, um nun nicht ganz offen miteinander zu sprechen. Er wusste, dass diese Frau eine aufrichtige Zuneigung zu ihm empfand.
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