Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
ihr heraustricksen kann.
    Eine unerwartete Galanterie? Oder nur ein subtiles Anziehen der Schraube, um sicherzugehen, daß Wulfstan weitersprach?
    Was auch immer, es funktionierte.
    »Sie werden in den Ruinen von Heck die Überreste eines Mannes finden – haben sie vermutlich bereits gefunden. Dieser Mann ist … war … Benny Lightfoot. Ich habe ihn dort eingesperrt. Ich habe ihn dort ertrinken lassen. Ich bin allein verantwortlich für seinen Tod. Mein Motiv war, so denke ich, ganz offensichtlich.«
    Dalziel sah zu Novello, die vor lauter Konzentration auf den Verlauf der Ereignisse ein finsteres Gesicht zog. Sie hatte eines der seltenen Gesichter, die mit finsterem Blick hübscher aussehen.
    »Vielleicht nicht für diejenigen unter uns, die damals nicht dabeiwaren«, sagte der Dicke. »Wenn Sie uns also einen kurzen Überblick geben könnten … Sie werden später noch ausreichend Gelegenheit haben, alles bis aufs i-Tüpfelchen zu erzählen.«
    »Nachdem wir alle das Tal verlassen hatten und der Regen einsetzte, merkte ich, daß es mich immer wieder zurückzog. Zu jeder Zeit, bei Tag oder Nacht, brach dieser unwiderstehliche Drang über mich herein, zurückzugehen und auf den Hängen herumzuwandern. Sie mögen denken, daß solch ein Drang, der oftmals eine lange Anreise von entfernten Orten erforderte, recht einfach in den Griff zu bekommen wäre. Aber wenn ich Ihnen sage, daß mich dazu die absolute Gewißheit überfiel, daß Mary dort war und allein und verängstigt umherläuft, und wenn ich nicht hingehen und sie finden würde, daß sie dann aller Wahrscheinlichkeit nach stirbt, dann verstehen Sie vielleicht, warum ich diesem Drang jedesmal nachgab.
    Natürlich habe ich sie nie gefunden. Manchmal stellte ich mir vor …«
    Er hielt inne und zog sich einen Moment lang in sich selbst zurück. Und Pascoe ging mit ihm, zu einem dunklen, verregneten Berghang, an dem jedes noch so schwache Licht von einem blondgelockten Kopf zu kommen schien und wo jedes Wassergluckern wie das Echo eines Kinderlachens klang.
    »Eine Nacht jedoch«, fuhr Wulfstan fort, »hörte ich ein Geräusch und sah eine Gestalt, die nicht nur meiner Phantasie entsprang. Es war nahe der Überreste von Neb Cottage, dort, wo man dich eine Weile später gefunden hat«, sagte er zu Elizabeth gewandt, die seinen Blick regungslos erwiderte. »Es war natürlich Benny Lightfoot.«
    Ein weiterer lebendiger Geist, der im Tal herumspukte und Trost in den zerstörten Überresten seines einstigen Zuhauses suchte.
    »Ich weiß, ich hätte ihn bei Ihnen abliefern müssen«, sagte Wulfstan zu Dalziel. »Aber ich konnte nicht darauf vertrauen, daß Sie ihn dieses Mal behalten würden. Nein. Das ist zu einfach. Das klingt zu sehr nach Ausrede. Ich wollte ihn für mich selbst, weil ich sicher war, daß ich Dinge über meine Tochter aus ihm herausbekommen würde, die Sie mit Ihren zurückhaltenderen Methoden nicht herausbekommen würden.«
    »Sie haben ihn gefoltert«, sagte Novello.
    »Ich habe ihn geschlagen«, erwiderte Wulfstan. »Mit den Fäusten. Ich habe niemals irgendwelche Geräte benutzt. Macht es das besser? Sie kennen sich mit so was besser aus als ich. Und als er nichts verriet und ich den Morgen grauen sah, schleppte ich ihn runter zu Heck. Ich wußte, daß der Keller noch zugänglich war, weil ich eine ausreichend große Öffnung zum Nachsehen geschaffen hatte für den Fall, daß Mary zu ihrem alten Haus zurückgeht und dort Zuflucht sucht. Ich band ihn mit Stoffstreifen von seiner eigenen Jacke fest, und in der nächsten Nacht kehrte ich mit Ketten und Schlössern und Haken zurück und kettete ihn an. Ich wollte einzig und allein, daß er mir sagt, was er ihr angetan hat und wo sie ist. Aber er sagte nichts. Egal, was ich tat, er sagte nichts. Ich dachte, das käme, weil er denkt, daß ich ihn umbringe, sobald er es mir gesagt hätte. Und ich schwor bei allem, das mir heilig war, schwor bei der Erinnerung an Mary, daß ich ihn am Leben ließe, wenn er mir nur sagen würde, was ich wissen mußte. Aber er wollte immer noch nicht reden. Warum? Warum? Du mußtest es mir doch nur sagen …«
    Er war wieder zurückgekehrt, und diesmal waren alle bei ihm, unten in dem schmutzigen Loch, in dem das Wasser immer höher stieg. Sie sahen die beiden Gesichter so dicht nebeneinander und beide so sehr von Schmerz verzerrt, daß es in dem schummrigen Licht kaum auszumachen war, wer der Peiniger war und wer der Gepeinigte …
    Nur, daß einer von ihnen jeden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher