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Das doppelte Rätsel

Das doppelte Rätsel

Titel: Das doppelte Rätsel
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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herausgeschleudert wurde —, und dann setzte sich das Gerät langsam in Bewegung, seine „Beine“, zuerst ein Paar, dann noch ein Paar, setzten ihre Saugnäpfe nach vorn, während die übrigen zwei Paare den Körper hielten.
    „Sprechen wir noch einmal das Programm durch!“ sagte Bernaud. „Wir haben knapp zwanzig Minuten Zeit, dann müssen wir am Steuerpult sitzen. Schaffen wir das nicht, sackt die Rakete durch und zerschellt. Zehn Minuten braucht die ,Spinne' zum Schweißen, zwei Minuten für uns, um in die Schleuse zu kommen, zwei Minuten in der Schleuse, drei für den Weg bis zur Zentrale. Bleiben immer noch drei Minuten Reserve. Es kann also eigentlich nichts schiefgehen. — Du weißt, was du in der Schleuse zu tun hast. Wo das Pflaster hängt? Gut. Dann wollen wir warten.“
    Sie flogen inzwischen auf der Nachtseite des Mondes. Groß und leuchtend hing die Erde am Himmel, ihr wohltuendes Licht ließ das Raumschiff silbrig schimmern, dazu das orangene und grüne Leuchten ihrer Raumanzüge, in einigem Abstand der lange, rötliche Feuerschweif der Havarierakete — es war eins der Farbenspiele, die man nur im Kosmos erlebt, aber auch dort nicht alle Tage.
    Tom Harrar entzog sich unwillig dem Zauber dieses Lichts. Das fehlte noch — jetzt in ästhetischen Genüssen schwelgen! „Was mag da drinnen los sein?“ sagte er, halb zu sich selbst, halb zu seinem Gefährten.
    „Keine Ahnung!“ antwortete der. „Am Reaktor liegt es jedenfalls nicht, wenn du das meinst. Es ist überhaupt komisch — noch nie hat ein Reaktor eine Havarie verursacht, trotzdem denkt jeder zuerst an den Reaktor, wenn irgend etwas nicht in Ordnung ist. Eine völlig sinnlose und unwürdige Scheu vor allem Radioaktiven, ein Überrest aus dem zwanzigsten Jahrhundert, fast eine Art Aberglauben.“
    Der Arzt war anfangs ein wenig verwundert über die heftige Vorlesung, die er als Antwort auf eine ganz anders gemeinte Frage erhielt, aber dann begriff er: Jeder Mensch hat einen Lieblings-Gedankengang, den er abspult wie ein Tonband, sobald ihm einer Gelegenheit dazu bietet. Trotzdem konnte er es sich nicht versagen, dem sehr selbstsicheren Ingenieur einen kleinen Hieb zu versetzen, eine — wie ihm schien — berechtigte Zurechtweisung. „Ich dachte dabei an die Menschen“, sagte er sanft.
    Bernaud drehte ohne ein Wort den Kopf weg und betrachtete aufmerksam die Tätigkeit des Schneidautomaten. „Der Schnitt glüht zu lange nach!“ sagte er nach einer Weile. „Die Oxide werden den Spalt verkitten. Am besten, wir bringen gleich die Sprengladung an.“ Sie klebten in die vier Ecken des Quadrats je eine Haftladung und zogen sich dann etwa einen Meter vom Einstiegluk zurück. Inzwischen hatte auch die „Spinne“ ihre Arbeit beendet, schaltete sich aus, fiel von der Fläche ab und baumelte am Netz.
    „Neun Minuten — ich zünde!“ rief Henri.
    An den vier Ecken des Schnittquadrats flammten die Explosionen auf und vereinigten sich zu einer Rauchwolke, die aber von den Resten der herausdringenden Schleusenluft sofort weggeblasen wurde. Im Einstiegluk gähnte ein großes Loch.
    Die Platte, die jetzt auf dem Boden der Schleuse lag, war in Form eines Pyramidenstumpfes ausgeschnitten worden, mit der kleineren Grundfläche nach außen, so daß sie nur wieder eingesetzt und von innen mit Metallfolie verklebt zu werden brauchte; mit einer Folie, die in jedem Raum jedes Schiffs vorhanden und greifbar war, weil sie zum provisorischen Abdichten von kleineren Löchern diente, die beim Einschlag von Kleinstmeteoriten manchmal entstehen.
    Tom Harrar hatte diese Arbeit schnell erledigt und klebte zur Sicherheit sogar noch ein Kreuz quer über die ganze Fläche. Bernaud hatte inzwischen den Schleusenmechanismus bedient, die Schleuse füllte sich mit Atemluft, von der Decke und von allen Seiten sprühte die Entgiftungsflüssigkeit auf sie ein. Als die ganze Prozedur überstanden war. öffneten sie die Helme. Henri blickte auf die Uhr und sagte: „Zwölfeinhalb Minuten — los.“
    Er drückte den Hebel der inneren Schleusentür, die ins Raumschiff führte — aber die Tür öffnete sich nicht. Noch einmal — ebenfalls ohne Erfolg. „Geh ein Stück zurück!“ sagte er, nahm die Laser-Pistole vom Gürtel und richtete sie auf die Stelle, hinter der der Schließmechanismus lag. Ein roter Punkt glühte auf — zehn, zwanzig Sekunden —, die Tür schwenkte auf.
    Sie stürzten in den Gang, aber nach zehn Schritten stießen sie wieder auf eine verschlossene
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