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Das doppelte Lottchen

Das doppelte Lottchen

Titel: Das doppelte Lottchen
Autoren: Erich Kästner
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schmunzelt. Das Luiserl
    ruft: »Das ist eine Idee! Das machen wir auch!«
    Herr Kilian droht mit dem Finger. »Untersteht euch! Fräulein
    Gstettner und Fräulein Bruckbaur werden ohnedies Mühe genug
    haben, euch immer richtig auseinanderzuhalten!«
    »Vor allem«, meint Luise begeistert, »wenn wir uns ganz gleich
    frisieren und die Sitzplätze tauschen!«
    Der Herr Direktor schlägt die Hände überm Kopf zusammen und
    tut überhaupt, als sei er der Verzweiflung nahe. »Entsetzlich!« sagt er. »Und wie soll das erst einmal später werden, wenn ihr junge Damen seid und euch jemand heiraten will?«
    »Weil wir gleich aussehen«, meint Lottchen nachdenklich,
    »gefallen wir sicher ein und demselben Mann!«
    »Und uns gefällt bestimmt auch nur derselbe!« ruft Luise. »Dann heiraten wir ihn ganz einfach beide! Das ist das beste. Montags, mittwochs und freitags bin ich seine Frau! Und dienstags, donnerstags und samstags ist Lottchen an der Reihe!«
    »Und wenn er euch nicht zufällig einmal rechnen läßt, wird er
    überhaupt nicht merken, daß er zwei Frauen hat«, sagt der Herr
    Kapellmeister lachend.
    Der Herr Direktor Kilian erhebt sich. »Der Ärmste!« meint er
    mitleidig.
    Frau Palffy lächelt. »Ein Gutes hat die Einteilung aber doch!
    Sonntags hat er frei!«
    Als das neugebackene, genauer, das wiederaufgebackene
    Ehepaar mit den Zwillingen über den Schulhof geht, ist gerade
    Frühstückspause. Hunderte kleiner Mädchen drängen sich und
    werden gedrängt. Luise und Lotte werden ungläubig bestaunt.
    Endlich gelingt es Trude, sich bis zu den Zwillingen
    durchzuboxen. Schwer atmend blickt sie von einer zur anderen.
    »Nanu!« sagt sie erst einmal. Dann wendet sie sich gekränkt an
    Luise: »Erst verbietest du mir, hier in der Schule drüber zu reden, und nun kommt ihr so einfach daher?«
    »Jetzt kannst du’s ruhig allen erzählen«, erklärt Luise huldvoll.
    »Von morgen an kommen wir nämlich beide!«
    Dann schiebt sich Herr Palffy wie ein Eisbrecher durch die
    Menge und lotst seine Familie durchs Schultor. Trude wird
    inzwischen das Opfer der allgemeinen Neugierde. Man bugsiert sie auf den Ast einer Eberesche. Von hier oben teilt sie der lauschenden Mädchenmenge alles mit, was sie weiß.
    Es läutet. Die Pause ist zu Ende. So sollte man wenigstens
    denken.
    Die Lehrerinnen betreten die Klassenzimmer. Die
    Klassenzimmer sind leer. Die Lehrerinnen treten an die Fenster und starren empört auf den Schulhof hinunter. Der Schulhof ist überfüllt.
    Die Lehrerinnen dringen ins Zimmer des Direktors, um im Chor
    Beschwerde zu führen.
    »Nehmen Sie Platz, meine Damen!« sagt er. »Der Schuldiener
    hat mir soeben die neue Nummer der ›Münchner Illustriertem
    gebracht. Die Titelseite ist für unsere Schule recht interessant. Darf ich bitten, Fräulein Bruckbaur?« Er reicht ihr die Zeitschrift.
    Und nun vergessen auch die Lehrerinnen, genau wie im Schulhof
    die kleinen Mädchen, daß die Pause längst vorüber ist.
    Fräulein Irene Gerlach steht, elegant wie immer, in der Nähe der Oper und starrt betroffen auf das Titelblatt der »Münchner
    Illustrierten«, wo zwei kleine bezopfte Mädchen abgebildet sind. Als sie aufblickt, starrt sie noch mehr. Denn an der Verkehrskreuzung hält ein Taxi, und in dem Taxi sitzen zwei kleine Mädchen mit
    einem Herrn, den sie gut gekannt hat, und einer Dame, die sie nie kennenlernen möchte!
    Lotte zwickt die Schwester. »Du, dort drüben!«
    »Au! Was denn?«
    Lotte flüstert, daß es kaum zu hören ist: »Fräulein Gerlach!«
    »Wo?«
    »Rechts! Die mit dem großen Hut! Und mit der Zeitung in der
    Hand!« Luise schielt zu der eleganten Dame hinüber. Am liebsten möchte sie ihr triumphierend die Zunge herausstrecken.
    »Was habt ihr denn, ihr zwei?«
    Verflixt, nun hat die Mutti wohl doch etwas gemerkt?
    Da beugt sich, zum Glück, aus dem Auto, das neben dem Taxi
    wartet, eine vornehme alte Dame herüber. Sie hält der Mutti eine illustrierte Zeitung hin und sagt lächelnd: »Darf ich Ihnen ein passendes Präsent machen?«
    Frau Palffy nimmt die Illustrierte, sieht das Titelbild, dankt
    lächelnd und gibt die Zeitung ihrem Mann.
    Die Autos setzen sich in Bewegung. Die alte Frau nickt zum
    Abschied. Die Kinder klettern neben Vati auf den Wagensitz und
    bestaunen das Titelbild.
    »Dieser Herr Eipeldauer!« sagt Luise. »Uns so hineinzulegen!«
    »Wir dachten doch, wir hätten alle Fotos zerrissen!« meint Lotte.
    »Er hat ja die Platten!« erklärt die Mutti. »Da kann er
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